Hans Reinl und Karl Domenigg – Erstbegehung des Westgrates des fünften Kindes

Westlichstes  Watzmannkind (2100 M.?).

Erste Ersteigung über den Westgrat und Ueberschreitung nach Osten. 27. August 1908.  Nachdem wir Jlsank bei Berchtesgaden um ¾ 6 Uhr früh verlassen hatten, stiegen wir anfangs auf dem zum  Watzmannhaus führenden Steig, später durch Wald, den vom Unterkunftshause gegen die Kührointalm leitenden Pfad querend, gegen das mächtige Kar empor, das von den prächtigen Formen des kleinen Watzmann, der Watzmannkinder und des Großen Watzmann umschlossen  wird und in seinen obersten Teilen den im heurigen Sommer arg zerklüfteten Watzmannaletscher birgt. Ueber Trümmerfelder und Blockgebiet auf den steilen Firn und in die breite Scharte zwischen dem westlichsten Watzmannkind und der Watzmannmittelspitze. 10 Uhr. In anregender, stellenweise nicht leichter Kletterei teils auf, teils neben dem Grat in 40 Minuten auf den Gipfel. (Großartiger Einblick in die Bartholomäwand des Großen Watzmann).

Abstieg über Platten und Firnlager in die Scharte zwischen dem westlichsten Kind und der Watzmannjungfrau.

Hans Reinl und Karl Domenigg – Über die Ostwand des Hochecks

Watzmann-Hocheck (2680 M.).

Erste Besteigung über die Ostwand. 28. August 1908. Watzmannhaus ab 6 Uhr früh. So wie am Tag vorher in das riesige Trümmerkar am Fuße der Ostwand. Einstieg zur Linken eines etwa in der Fallinie des Hocheckgipfels am weitesten in das Kar des Watzmanngletschers vortretenden Felspfeilers. Hier führt eine zur Linken von Ueberhängen flankierte, etwa 80 Meter hohe Kaminreihe gegen die Schrofen, die den oberen Teil des Pfeilers bilden. Durch diese gerade auf aufwärts, höher oben dann nach rechts über eine Platte in eine Mulde (Schneelager). In der Kluft zwischen Schnee und Wand über eine große, steile Platte abwärts, die in ein Gesimse übergeht. Schwieriger, plattiger Einstieg in die ansetzende Kaminreihe. Nun drei Seillängen über einige sehr schwierige Ueberhänge auf einen Schuttplatz und wieder rechts in die Fortsetzung der Kaminreihe.

Einen neuerlichen Ueberhang passierend, auf eine zweite Schutterrasse, wo bereits die langen, markanten Platten und Schichtenbänder zutage treten, die sich zur Gipfelfläche ziehen. Von rechts nach links steil ansteigend in der Richtung der Spitze und schließlich nach rechts über Schrofen zum Ausstieg, etwa 60 Meter nördlich des Hocheckgipfels. Dauer der Kletterei 8 Stunden. Wandhöhe zirka 600 Meter. Der Anstieg durch die Ostabstürze des Hochecks ist eine an großartigen Felsszenerien reiche, ununterbrochen spannende, erstklassige Klettertour. Den Schlüssel zur „Ersteigung bildet die obenerwähnte lange Kaminreihe.

Übergang zum Mittelgipfel (2714 M.) und Abstieg auf dem gewöhnlichen Wege zum Watzmannhaus.

Karl Domenigg – Wien, Ingenieur Hans Reinl – Hallein.

Hans Reinl und Karl Domenigg – Über die Westwand auf die Jungfrau

Höchstes Watzmannkind (Watzmannjungsrau, 2260 M.).

Erste Ersteigung über die Westwand und Ueberschreitung nach Nordosten. Im Anschlüsse an die obige Tour wendeten wir uns der ungemein abschreckend aus aussehenden, ganz eigenartig geschichteten Westwand des höchsten Watzmannkindes zu und kletterten von der Scharte über brüchigen, steilen Fels eine gute Seillänge senkrecht empor, dann nach links durch eine plattige Verschneidung an den Fuß eines Ueberhanges, über diesen sehr schwierig auf ein schmales Gesimse, auf diesem weiter nach links und über einen zweiten plattigen Ueberhang, der unmittelbar zum Fuße des oberen, senkrechten Wandgürtels führt. Hier scharf nach links über leichte Schrofen, endlich auf ein etwa einen Meter breites, ein wenig nach abwärts führendes Band, bis es möglich wird, die ober  diesem aufragende Wand, deren Neigung im oberen Teil abnimmt, direkt zu erklimmen. Nun auf den Grat und in 10 Minuten zur Spitze. Dauer der Kletterei 1 ½  Stunden.

Im ganzen eine hochinteressante, schwierige und dabei sehr ausgesetzte Klettertour. Abstieg auf dem gewöhnlichen Wege über die charakteristische Riesenplatte ins Kar.

Watzmannhaus 6.45 abends.