Hermann Lapuch und Kaspar Wieder – Die Eroberung des Riesenbandes

Zu den sehenswertesten Kletterrouten am Watzmann gehört die sogenannte Wieder-Route.

Vom Gletscher des Watzmanns aufsteigend traversiert man im Rahmen der Route auf einem ca. 300 Meter langen und ca. 40 Meter breiten Band, bevor man den auf der Mittelspitze endenden Anstieg in der Ostwand auf den Gipfel des Watzmanns klettert.

Das Salzburger Blatt vom 26.05.1920 berichtet über die am 24.05.1920 erfolgte Erstbegehung durch Lapuch und Wieder.

Salzburger Wacht, 26.05.1920

Erstbesteigung am Watzmann

Am 24. d. M. vollführten die Salzburger Alpinisten Herm. Lapuch und K. Wieder die erste Ersteigung der Watzmann-Mittelspitze über die Ostwand direkt von der Mitte des Watzmanngletschers aus.

Viel Schnee, Bereifung und Wasser gestalteten den Durchstieg sehr schwer und gefährlich. In späterer Jahreszeit wohl die großartigste Band- und Plattenkletterei in prächtiger Hochgebirgslandschaft. Kletterzeit 5 Stunden 20 Minuten. Wandhöhe reichlich 600 Meter. Ausstieg knapp südlich des Gipfelkreuzes, 2713 Meter.

Franz von Schilcher – Auf dem Gipfel des wilden Gesellen

Die Erstbesteigung des kleinen Watzmanns, auch Watzmannfrau genannt, genau zu datieren und mit Primärquellen zu belegen gestaltet sich schwierig.

Franz von Schilcher bestieg den Gipfel des kleinen Watzmanns am 27.08.1863 und berichtet hierüber in einem längeren Aufsatz über die Berchtesgadener Gruppe aus dem Jahre 1878.

Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins, 1878, S. 185

Aus der Berchtesgadener Gruppe

Franz von Schilcher, München

Kleiner Watzmann.

1 Ersteigung des Kleinen Watzmann 2293m*).

Am 27. August 1863 Morgens 5 U. 30 MA verliess ich mit Johann Grafl Berchtesgaden. Beim Brunnwerk Ilsang überschritten wir die Ramsauer Ache und stiegen über die Schappach- nach der Kühroint-Alpe am Fusse des Kleinen Watzmann, der auch hier die Gestalt, in welcher er sich vom Thal aus repräsentirt, beibehält, jedoch in der Nähe betrachtet, so gewaltige Wände und Schrofen zeigt, dass sein Ruf als wilder Geselle vollkommen gerechtfertigt erscheint.

8 U. 20 begannen wir die Besteigung und gelangten anfänglich durch Fichtenwald, dann später über felsiges, mit Krummholz bewachsenes Terrain, zuletzt eine Strecke weit am Rand der Watzmannscharte rasch in die Höhe. Bald schlugen wir die östliche Richtung ein und es folgte nun eine mühselige Wanderung durch fast undurchdringliches Latschen Latschendickicht, an einigen mächtigen Steilwänden vorüber, zuletzt betraten wir den Grat und gelangten theils auf ihm selbst, theils unter seinem Südabfall fortschreitend 10 U. 15 zur Spitze. Sie bildet eine nicht ungeräumige, sanft gewölbte Kuppe mit leichtem Grasanflug.

Die Aussicht über das Berchtesgadener Thal, der Blick auf den Göll und die ihm östlich sich anschliessende Gruppe der Königseer Berge, dann südlich auf die Schneefläche der Uebergossenen Alpe und auf einen beträchtlichen Theil der Tauernkette, auf den Obersee, vor Allem aber der Anblick des unmittelbar zu Füssen sich ausbreitenden Königseespiegels bieten dem Auge ein Bild voll Reiz und Erhabenheit. Ein Anblick unbeschreiblicher Wildheit und massloser Zerstörung stellt sich dar, wenn man gegen W. gewendet in die Fels- und Schneebecken der Watzmannscharte hinabschaut. Die Schrofenreihe der „Watzmannkinder“ schliesst dieselbe gegen S., die himmelanstrebende Mauer des Grossen Watzmann gegen W. ein. Der uns zunächst gelegene Schroten steigt mächtig und steilwandig auf; unsere Spitze überragt ihn kaum um 200′; der Bezeichnung eines „Watzmannkindes“ ist er also eigentlich entwachsen. Gerne hätten wir noch länger auf unserer Zinne verweilt, hätte nicht der Gedanke an den Abstieg zur Scharte und die Möglichkeit hiebei eintretender Zwischenfälle zum Auf Aufbruch gedrängt.

1 Uhr verliessen wir die Spitze, die südöstlich und südlich umgangen werden muss; an der Westseite hinabzugelangen erklärte der Führer für unmöglich und in der That scheinen die lothrechten, stellenweise stark überhängenden Wände diesen Ausspruch zu bestätigen. Wir stiegen zuerst an der Südostseite ziemlich tief hinab, steuerten dann aber bald in westlicher Richtung der Lablscharte zu, wobei zuerst in schwindelnder Tiefe der Königssee und St. Bartholomä, dann der tief eingerissene nach 0. jäh hinabziehende Lablgrabenunter uns lag.

Nach Inständigem beschwerlichem Abwärtsklimmen an verwitterten Schrofen und durch steile, mit losem Schutt erfüllte Kamine, wobei es an wirklich gefährlichen Situationen nicht mangelte, langten wir schweissgebadet an der Labischarte an, einer thorartigen Einsenkung zwischen dem Kleinen Watzmann und dem oben erwähnten Schrofen; in grosser Tiefe liegt der Eis- oder Schartenboden unter uns. Aufs neue beginnt das Klettern, Gesimse um Gesimse muss überwunden werden, das letzte unter einer stark über überhängenden ­hängenden überhängenden Wand. Es ist dies die schlimmste Stelle der ganzen Partie; denn kaum zwei Hände breit und ziemlich stark ab abwärts ­geneigt ist die Basis, auf welcher, in halb liegender, halb sitzender Stellung, zur Rechten die Felswand, zur Linken einen tiefen Abgrund nach Bergmannsart 20 — 25′ abgerutscht werden mnss. Ein Seil hätte hier gute Dienste geleistet. Als der erste passirte ich ohne Unfall die gefährliche Stelle, am Bergstock glitten die Rucksäcke hinab, glücklich folgte zu zuletzt der Führer.

Hier angelangt rasteten wir; es war 2 U. 30. Damals bot sich uns der seltene Genuss, an 100 — 150 Gemsen die zur Abhaltung einer für die nächsten Tage beabsichtigten Hofjagd zusammengetrieben waren, in nächster Nähe beobachten ­zu können. 3 U. 30 brachen wir auf, passirten ziemlich  mühelos den untersten Theil der Scharte und langten um 4 U. 10 wieder auf Kühroint an.

*) So weit meine Erkundigungen reichen, war derselbe bis dahin noch von keinem Touristen bestiegen worden; im Jahr 1861 hatten  vier Berchtesgadener Führer, die Gebrüder Johann und Josef Grafl, Mich. Walch und Rupert Holzeis die Besteigung ausgeführt und zwar mit dem Abstieg durch die Scharte. Im August 1869 wurde — jedoch ohne Auf- oder Abstieg stieg Abstieg durch die Scharte — die Spitze des Kl. Watzmann erstiegen von Fräulein Anna Blumenbach aus Riga mit Joh. Grafl; um dieselbe Zeit auch von Hermann v. Barth, welcher meines Wissens die Scharte nicht berührte.

 

Entwicklungsphasen des Alpinismus

Albert Hirschbichler, in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Rekordhalter für die schnellste Begehung der Watzmann Ostwand auf dem Berchtesgadener Weg in 2 Stunden – 10 Minuten und 12 Sekunden, gibt hier einen interessanten Abriss über die Entwicklung des Alpinismus unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in den Berchtesgadener Alpen.

Das von Hirschbichler präsentierte Phasenmodell unterteilt sich in 5 Epochen. Innerhalb der Berchtesgaden prägenden Epoche  identifiziert er seilschaftsbasierende Subphasen.

1.) Die Epoche des PräalpinismusVon den Anfängen bis zur Erstbesteigung des Mont Blanc 1786

2.) Die Epoche des frühen AlpinismusVon der Erstbesteigung des Mont Blanc bis zur Gründung der alpinistischen Organisationen 1857-69

3.) Die Epoche des klassischen AlpinismusVon der Gründung der alpinen Vereine 1857/69 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts

4.) Die Epoche des modernen AlpinismusErste Hälfte des 20. Jahrhunderts; die „letzten Probleme“ in den Alpen und modernes Klettern

5.) Der zeitgenössische Alpinismus – Von der Ersteigung des ersten Achttausenders 1950 bis in die Gegenwart

 

Der moderne Alpinismus im Berchtesgadener Land

1900-1920: Berchtesgadener Kletterpioniere
Die 20er Jahre – Josef Aschauer, kühne Routen im V. Grad ohne Haken
Die 30er Jahre – Die Seilschaft Hinterstoisser/Kurz eröffnet Routen im VI. Grad