Kühroint – Optimales Basislager für Expeditionen am Watzmann

Von Kühroint aus steht einem die Watzmannwelt offen.

Die Sektion Berchtesgaden des Deutschen Alpenvereins unterhält auf Kühroint eine Selbstversorgerhütte, welche den Sektionsmitgliedern zur Nutzung zur Verfügung steht.

Die Hütte wird mit viel Engagement durch die Hüttenreferenten Christel und Heinz Zembsch betreut und gepflegt.

Heinz Zembsch gilt, mit inzwischen 411 Durchstiegen, als Ikone der Watzmann Ostwand. Seine Frau engagiert sich, nicht nur im Bereich der Kührointhütte, innerhalb der Sektion mit interessanten Fahrtenangeboten.

Abseits der sektionsbezogenen Unterkunftsmöglichkeit gibt es eine privat bewirtschaftete Hütte in Form der Kühroint-Alm.

Franz Paula von Schrank – Ein Botaniker unterwegs im Watzmannkar

Im Jahre 1784 bereiste der bekannte Botaniker Franz Paula von Schrank unter anderem das Watzmannkar und berichtete darüber in Briefform Karl Ehrenbert Ritter von Moll.

 

In sehr eindrucksvollen Worten beschreibt er das Gebiet und seine gewonnenen Eindrücke.

Naturhistorische Briefe über Oestreich, Salzburg, Passau und Berchtesgaden von Franz Paula Schrank  

Sechszehnter Brief. Burghausen,den 8. Horn. 1784.

Zweyte Alpenreise. Glingwand. Hochfeld. Küheraind. Wazmannscharte. Einstürzen der Berge. Fortgang der Vegetation und des Eises. Fernere Reise.

Ob mir gleich auf meiner vorigen Reise täglich ein Donnerwetter drohte, so war nichts destoweniger die Witterung sehr angenehm, und zum Reisen bequem, ein Glück, das ich bey meiner zweyten Alpenreise nicht genoß, aber auch, nicht Ursache hatte zu vermissen, weil ich dafür durch Bemerkungen verschie dener Naturkörper hinlänglich schadlos gehalten wurde, die ich bey trocknem Wetter entweder gar nicht oder nicht so bequem würde haben beobachten können. Wie in der Natur alles gut ist, vom willigen Stiere, der den Pflug über fettes Ackerland hinzieht, bis zum grimmigen Tiger, der auf Menschen und Thiere wüthend dahinstürzt, so giebt es auch an diesem grossen Meisterstücke der Allmacht keine Seite, die dem Beobachter nicht neue Aussichten öffnete.

Ich hatte dießmal ausser meinem Träger, der zugleich mein Führer war, keinen Menschen bey mir, weil ich auf meiner ersten Reise gelernet hatte, daß grössere Gesellschaften auf dergleichen Reisen eher hinderlich als vorteilhaft seyen. Wir giengen ziemlich frühe von Hause aus, und kamen gleichwohlerst gegen Mittag im Herrenraind an, einem Weydeplatze, der dem fürstlichen Stifte eigenthümlich angehöret, aber jezt verpachtet ist. Die Sennhütte war hier nicht von Holz, und, wie die meisten übrigen übel bedeckt; sie war vielmehr durchaus gemauert, und so gut eingerichtet, daß sie bequemer, als manches Bauernhaus, zu bewohnen war. Hier nahmen wir unser Mittagmahl ein, das mir weit besser würde geschmecket haben. wenn ich diesen Morgen reicher an Naturkörpern, oder Bemerkungen über dieselben geworden wäre, als es wirklich geschah.

Man kömmt, nachdem man einmal die bewohnten Gegenden zurückgeleget hat; durch einen beschwerlichen Steig an der Klingwand hieher, und muß eine ziemlich tiefe Schlucht umgehen, die ganz mit den Trümmern der einfallenden Seiten bedeckt ist. Der Steig, von dem ich eben sprach, zieht sich an der Klingwand fort, und ist ziemlich steil, aber so breit, daß man dem Schwindel sehr stark ergeben seyn müßte, wenn man einen Sturz in die Schlucht thun sollte; unterdessen hat man doch Ursache behutsam zu gehen, weil man auf einem so starken Abhange, der ganz mit losen Kalksteintrümmern bedeckt ist, sehr leicht ausglitschen könnte; die Gefahr wird bey nassem Wetter beträchtlicher, weil es, wie mich mein Führer nochmals versicherte, grosse lettigte Stellen giebt, die durch die Feuchtigkeit schlüpfrig gemacht werden.

Dieser Letten, den ich bey der trocknen Witterung nicht wahrnahm. mag nun von einer Natur seyn. von welcher man will, Mergel oder Thon, (wahrscheinlich ist er Mergel), so ist er bemerkenswerth genug, daß ich mich einen Augenblick dabey aufhalte.

Dieser  Letten setzt weder  in die Tiefe noch in die Wand fort, sondern überdecket bloß an einigen Stellen den Boden; ich hatte sowohl das Gestein der Wand, als das in der Schlucht genau betrachtet, und überall eitel brüchigen Kalkstein gefunden; der Letten scheint daher nichts weiter zu seyn, als ein Mergel, der aus dem Sandsteinstaube, unter welchen sich vegetabilische  und thierische  Bestandtheile  gemischet hatten, entstanden war, Ich hatte eine ganz ähnliche Erscheinung an der Strasse von Salzburg nach Burghausen, als ich am 27. Julius nach Hause reisete. Vermuthlich ist diese Strasse fast bis über Laufen herab mit lauter Kalksteintrümmern beschüttet, daher sie auch in der Sonne sehr blendend weisgrau ist. Nun hatte es aber drey Tage lang sehr stark geregnet,und ich fand die jezt wieder trocknende Strasse schmierig, und den Koth geschickt sich einigermassen bilden zu lassen, eine Eigenschaft, die nur dem Thone und den damit verbundenen Erdarten zukömmt. Dieß erinnerte mich ganz natürlich an die höchst wahrscheinliche Hypothese unsers berühmten Herrn Dr. Brunnwiesers, der dafür hält, daß schlechterdings alle Steinarten durch den Beytritt vegetabilischer Substanzen in Thon  verwittern,  welche  Behauptung  er  in  den Abhandlungen der kurfürstlichen Akademie zu München weitläuftiger auseinander gesetzet, und für mich durch Vorweisung verschiedener Steinarten, derer äussere der Lufft ausgesetzte Seiten offenbar Ineinen meistens eisenschüssigen Thon verwittert waren; vorzüglich lehrreich waren mir einige Hornsteine, die mit Adern durchwebet waren, welche in den thonartigen Theil ununterbrochen fortsetzten, zum deutlichen Beweise, daß dieser nicht erst anderwärtig hinzugekommen sondern aus dem Steine selbst entstanden sey. In dieser Hypothese werden die concentrischen Thonsteinrinden begreiflich, die man auf den schönen Agatkugel n des Herzogthums Zweybrücken antrifft, sie sind nichts anders, als die äussersten Agatschichten in ihrer Verwitterung.

Nach eigenommenem Mittagmahle giengen wir nach dem Küheraindfort; allein ein hefftiger Regen nöthigte uns in einer Holzhütte unsere Zuflucht zu nehmen, wo wir einen Bauerknecht antraten, der ebenfalls unter diesem wirthlichen Dache das Ende des Regens abwartete. Wir giengen von Zeit zu Zeit einer um den andern hinaus, um zu sehen, ob der Regen bald ein Ende nehmen möchte, allein es hatte allen Anschein, daß er mehrere Tage fortdauren, und die fernere Reise schlechterdings unmöglich machen dürfte; es ward daher die Rückreise beschlossen.

Unterdessen verdroß michs gleichwohl, diesen Gang vergeblich gemacht zu haben. Der Bauernknecht hatte mir vieles von der schönen Gegend des Küherainds erzählet, und die Erfahrung gegeben, daß man den Weg dahin nicht verfehlen könne, wenn man nur auf die Tauben (kleinere Steine, die auf die grössern Felsenstücke gelegt werden, dadurch die Jäger und Holzknechte die Wege bezeichnen) Obacht hätte. Ich befahl also meinem Träger in der Hütte zu verbleiben, unterdessen ich nach dem Küheraind mitten unterm Regen so lange als mirs gelustete, fortgehen würde; hier würde ich dann, im Falle daß der Regen wirklich fortdauern sollte, wieder eintreffen, um mit ihm nach Hause zu fahren; sollte sich aber inzwischen der Himmel wider Vermuthen ausheitern, so hatte er den Betehl mir zu folgen.

Ich gieng anfänglichden Tauben ganz sorgfältig nach; aber bald hatte ich über den Pflanzen die Tauben vergessen, und gerieth auf das Hochfeld, eine ehemals waldigte Gegend,wo man aber seit geraumer Zeit das Holz abgetrieben hatte. Ein Naturforscher geht eigentlich niemals irre, und mich reuete es nicht hieher gerathen zu seyn; nur gieng ich, nachdem ich ich hier satt gesuchet hatte, nach den Tauben zuruck; allein ein Fahrweg, den ich so hoch nicht vermuthete, und auf den ich mich mehr, als auf die Tauben verließ, führte mich abermal auf das Hochfeld zurück. Inzwischen heiterte sich der Himmel allmählig auf, und versprach einen schönen Abend, ich gieng daher gerade in die Hütte zurück, um den Weg, den ich nun schon zweymal verfehlet hatte, In Gesellschaft meines Trägers zu machen; allein dieser war meinem Befehle schon nachgekommen, und keine Seele war mehr in der Hütte. Jezt mußte ich mich also bequemen, meine Augen bloß auf die Tauben zu hefften, um den Weg nicht zu verfehlen, den ich schlechterdings allein zu gehen gezwungen war; ich kam auch wirklich über den Meyerriegel, eine angenehme, etwas waldigte Gegend, im Küheraind glücklich an.

Es war dieß abermal eine herrliche Scene auf den Alpen; ein heiterer Himmel über mir, um mich säuselnde Weste, tief unten in der Ferne die Wohnungen und Sorgen der Menschen, und zu meinen Füssen ein lachendes Grüne, an dem die Regentropfen noch hiengen, in denen sich die scheidende Sonne  spiegelte; zween Menschen bey mir, mein Träger und ein Bauernknecht, der die Anstalten für den morgigen Tag vorkehrte, an welchem die Heerde diesen Weydeplatz beziehen sollte; der Mannder Heerde war auch schon vorausgegangen, und weydete die Erstlinge seines künftigen Gebietes ab. Das ist, meine Lieben! rief ich auf, das ist herrlich! Mir war hier so wohl, so inniglich zufrieden war mein Herz, daß ich diesen Abend unter die vergnügtesten Stunden meines Lebens zählen werde ; ich fühlte klar, daß de Lucs Ausdrücke über die hohe sanfte Schwermuth, die er und seine Gesellschaffterinn hoch oben auf dem Fura fühlten, nichts übertriebenes habe; ich war hier so ganz Gefühl, so ganz im Taumel der Wonne, daß ich auf alles vergaß, und es mußte mich mein Führer erinnern, daß der Abend fortrücke, und meine Pflanzen noch unversorget seyen. Ich gieng daher noch ein wenig herum, ob ich nicht etwas mehrers finden könnte, und besorgte das gefundene, so gut es möglich war. Ländliche Gespräche am Feuerheerde kürzten uns die Stunden des dunklem Abends, und ich fühlte auch hier in den naiven Reden meiner Gefährten so viele Seligkeit, daß ich mir ordentlich Mühe gab mich ihnen sogar in der Sprache gleich zu machen.

Der Küheraind macht mit dem Herrenraind eine Fortsetzung des kleinem Wazmannes aus; beyder hat sich sowohl, als der dazwischen liegenden Gegenden die Vegetation schon so sehr bemächtiget, daß sie sogar durch herrliche Waldungen getrennet werden, die meistens aus Tannen und Fichten bestehen, von denen beyde einen schlanken hohen Wuchs haben. Zwar stehen noch hier und da einzelne nackte Felsen über die Oberfläche hervor, die nur in ihren Vertiefungen mit niedrigen Pflanzen hinlänglich bewachsen sind, aber diese Felsen sind so sparsam, daß man sie auf dem fetten, mit den nahrhaftesten Pflanzen bewachsenen Boden leicht übersieht. Nur da wo Waldung ist, sind die Felsen zahlreicher,weil Nadelhö!zer die kleinem Pflanzen verdrängen, und Lufft und Witterung weniger frey an der Zerstörung der Steine arbeiten können.

Den folgenden Tag giengen wir nach der Wazmannscharte fort; so heißt ein ungeheures Thal, das oben, wo sich die Spitzen dieser beyden Berge befinden, anfängt, tief hinab reicht, und meines Erachtens hätte man von seiner größten Tiefe bis an die Spitze wohl drey bis vier Stunden zu steigen. Das war aber für mich nicht nothwendig, weil wir ziemlich weit oben hervorkamen; gleichwohl kam ich nicht eher als in anderthalben Stunden hinauf, und, ob ich gleich abwärts viel schneller gieng, so hatte ich dennoch eine gute Stunde dazu vonnöthen. Diesen Theil der Wazmannscharte werde ich in der Folge allemal durch die Ausdrücke: Zwischen den Wazmännern, im Wazmannthale, in der Wazmannscharte bezeichnen, weil ich nicht für nothwendig hielte, auch die untere Gegend zu untersuchen, besonders da ich deutliche Spuren fand, daß Vieh da geweydet habe, und daher meine Mühe wenig würde belohnet worden seyn.

Der Plan meiner Reise war anfänglich nicht darnach eingerichtet, daß ich dieses lange, felsichte Bergthal hinauf gehen sollte, aber der Anblick desselben hatte so viel hohes für mich, und versprach mir so viele Vortheile, daß ich mich alsogleich entschloß diesen äusserst mühesamen Spaziergang zu wagen. Ich that ihn ohne Gefährten, weil ich von weitem sehen konnte, wie beschwerlich dieser Gang für meinen Träger seyn müßte, der mir auch mit seinem Tragkorbe an manchen Gegenden zu folgen schlechterdings nicht würde im Stande gewesen seyn; zugleich war es nicht möglich zwischen den beyden Bergen irre zu gehen, oder sich zu versteigen. Ich nahm ihm daher die blecherne Büchse ab, hieß ihn einen Weg untersuchen, den wir in der Folge zu gehen hätten, und den man mir als gefährlich beschrieben hatte, und dann sollte er mich dem Orte, wo ich ihn verlassen hatte, gegenüber erwarten.

Stellen Sie sich zwo ungeheure Wände von Kalkstein vor, die so gerade sind, als die Wände Ihres Zimmers, zwischen diesen Wänden ein Thal, das noch viel steiler bergan läuft, als der steilste Landberg, und mit den Trümmern angefüllet ist, die alle Jahre im Frühlinge von diesen Wänden herabstürzen. Anfangs ist dieses Thal mit Rasen dicht, wie eine Wiese, bewachsen, nach und nach nehmen die Pflanzen ab, und ich mußte bald diejenigen, die ich sammeln wollte; zwischen den kleinem Steinen heraus holen. Allmählig verlieren sich auch diese mehr und mehr; alle Thiere bleiben zurück, kein Insekt, nicht einmal eine Fliege kömmt mehr dahinan, unterdessen die Felsentrümmern immer grösser daliegen, und jezt hat die ganze Botanik ein Ende, weil kein Pflänzchen,  kein Gräschen (eine undeutliche Steinflechte ausgenommen) mehr zu sehen ist. Hier stand ich, das einzige lebende Geschöpf in dieser weiten Wildniß, zwischen den Trümmern zweyer Berge, sah vor mir ewigen Schnee (kleinere Schneefelder hatte ich schon unterwegs zurückgelegt), und weithin hinter mir angebautes Land; rund um mich Bilder des Todes, Gerippe beständig nachstürzender Berge.

Mein Weg ward immer beschwerlicher, je höher ich kam; ich mußte mich bald zwischen zween nahe an einander stehenden  Felsen durchziehen, bald mit allen Vieren auf dieselben hinaufklettern, um auf der andern Seite noch weit mühesamer hinabzusteigen. Zuweilen konnte ich über den Rücken solcher grossen Felsentrümmern fortgehen, und von einem auf den andern hinüber kommen, ohne mich erst wieder im Steigen geübt zu haben; aber allemal mußte ich die Sache sehr behutsam angreifen, weil ich leicht von einem solchen umstürzenden Felsenstücke  hätte erdrücket werden können: denn Sie müssen wissen, daß derley grosse Trümmern offt auf kleinem, oben zugerundeten, aufliegen, die dann jedes Gewicht, das man an den Seiten anbrächte, umstürzen würde. Ich ward in diesem Stücke würklich durch die Erfahrung unterrichtet; ich wollte eben von einem solchen Felsenstücke auf ein anders hinübertreten, das ich seiner Grösse wegen fest genug am Boden glaubte, um mich tragen zu können; allein kaum hatte ich einen kleinen Theil meines Gewichtes auf den Fuß, mit dem Ich es berührte, sinken lassen,  als  das  Felsenstück  nach allen Seiten zu wackeln anfieng: schnell zog ich meinen Fuß zurück, suchte der Steinmasse durch einen Umweg beyzukommen, um ihren Grund zu untersuchen, und fand, daß sie auf einem andern grossen Felsenstücke, das in den Grund gedrücket schien, und eine ziemlich kuglichte Gestalt hatte, auflag, mithin dasselbe nur in der Mitte, und in gar wenigen Puncten berührte.

Ernsthaft und schaudervoll, aber doch angenehm, war mein Stand hoch oben in diesem schrecklichen Thale, zwischen den ungeheuren Trümmern der Berge. Der Anblick dieser grauenvollen Scene hatte für mich so viel Grosses, so viel Erhabenes, daß ich ihn gerne stundenlang fortgesetzet hätte; aber ein Nebel, der zwischen den beschneyten Gipfeln schnell und mächtig aufstieg, und mich ein baldiges Donnerwetter vermuthen ließ, hieß mich von meinem Betrachtungen abbrechen, und zu meinem Führer zurückkehren.

Höchstwahrscheinlich waren beyde Wazmänner, zwischen welchen dieses ungeheure Bergthal mitten inne liegt, ehedessen ein einziger aber sehr steiler Berg, dessen mittlerer Theil aus Mangel hinlänglicher Böschung nach und nach ausgebrochen ist; noch stehen an der Spitze dieses Thales einige Ueberbleibsel dieses Zwischentheiles, und noch jährlich fallen im Winter von den beyden Wänden einige Stücke herunter. Nichts ist übrigens natürlicher, als diese Begebenheit: denn ausser dem, daß schon der Begriff einer Wand jede Böschung ausschließt, so dringt Schnee und Regen in die Spalten dieser Felsengebirge unaufhörlich ein; frieret dieses, so springt dieselben noch mehr, und macht eine Menge Trümmern los, die bey den mindestem Anlasse herabfallen. Auf diese Art entstand längs des Thales hinauf zwischen den beyden Wazmännern ein neuer Bergrücken aus lauter herabgestürzten Felsenstücken, der, wie Sie sich leicht denken können, sehr starke Ungleichheiten hat, aber freylich mit seinen beyden Erzeugern so lange in keine Vergleichung kommen kann, bis diese einmal größtentheils eingestürzet seyn werden.

Mir fiel bey dieser Gelegenheit der Brief ein, den Sulpitius an den Cicero über den Tod seiner Tochter geschrieben hatte. Ich sah hier Berge sterben, die einer Ewigkeit trotzen zu können schienen, – und wir trauern untröstlich an dem Sarge einer geliebten Person, die schon damal zu sterben anfieng, da sie gebohren ward. Berge verwesen, wie Nationen dahinschwinden, und von den einen und den andern bezeichnet der spätere Geograph die Stelle mit Mühe, auch jedem von uns ist gleiches Loos beschieden, aber unsere Dauer hienieden soll nach dem Verhältnisse kürzer seyn, wie unsere Masse kleiner ist, als die der Nationen und Berge: unaufhörliche Widerwärtigkeiten sollen, wie Wetter und Kälte an den Gebirgen, an unserm Leben nagen; bis endlich nach den weisen Naturgesetzen, die der anbetenswürdige Schöpfer von Ewigkeit her bestimmet hatte, der Tag kömmt, daß jene gänzlich einstürzen, und wir in die Bahre dahin sinken, und jenen wie uns ein verhältnißmäßiger Hügel steigt. – So stählte ich hier an diesem grossen Schauspiele mein Herz wider alle Stürme, die unvermuthete Veränderungen auf dasselbe machen dürften, und wußte nicht, daß ich nach einigen Monaten bey dem Todfalle einer geliebten Schwester diese Vorbereitung nöthig haben sollte.

Was ich Ihnen neulich von dem Fortgange der Vegetation zu schreiben die Ehre hatte, fand ich hier in einem viel grössern Bezirke vollkommen bestättiget. Es war angenehm zu sehen, wie sich der Alprausch, und die nezförmige Weide um die Felssteine herumschlangen, und sie manchmal ganz einhüllten, wie ihre abgestorbenen Zweige eine kleine Schicht von Dammerde auf den Scheiteln dieser Felsentrümmern erzeuget hatten, die alsogleich von den Wurzeln kleinerer Pflanzen wieder befestiget ward. Freylich geht die Vegetation bey alle dem sehr langsam aufwärts; selbst ein Hügel nahe bey Berchtesgaden (der Lochstein) ist nur in seinen Spalten, und da, wo er flache Stellen hat, bewachsen. Alle diese Berge sind nämlich Kalkgebirge, die beständig von Lufft und Wetter angegriffen werden; der Regen wäscht die aufgelößten Theile augenblicklich weg, und die dünnen Flechten, die sich unaufhörlich an der Oberfläche dieser Felsen anzusetzen suchen, können sie nicht hinlänglich vor der Zerstörung schützen, vielmehr werden sie selbst, so bald sie in Verwesung gehen, mit fortgerissen, und in die  Thäler  hinabgeführt;  inzwischen halten die allenthalben herum liegenden Steine, und die dadurch verursachten Unebenheiten immer viele Dammerde auf, und so rückt aller Zerstörung ungeachtet die Vegetation gleichwohl immer vor. Ich stellte mir in meinen Gedanken schon die Jahrhunderte vor, in welchen diese jezt rauhen Berge bis an ihre, freylich beträchtlich erniedrigten, Gipfel bewohnet sein würden; sah da goldene Felder, wo ich jezt kümmerlich einige Alpenpflanzen zwischen den Steinen herausgrub: sah da Kaninichenwohnungen, wo jezt die Murmelthiere sich Löcher gegraben hatten.

Unter diesen süssen Träumen gieng ich an der südlichen Seite desjenigen Bergrückens, der sich zwi­ schen beyden Wazmännern aufthürmt, das Thal hinan; aber herab nahm ich meinen Weg an seiner nordlichen Seite, und wie war ich betroffen, da ich hier eben sowohl den Fortgang des Eises sehen mußte, als ich vorhin den der Vegetation gesehen hatte! – Ich fand, was ich nicht vermuthete , daß sich auch hier das Eis immer weiter herabziehe; die Beweise waren unlaugbar, ich mußte nicht nur viel länger auf den öden Schneefeldern herabgehen; sondern ich fand sogar, daß dieser Schnee ehedem fruchtbare Gründe bedeckte, denn ich stieß hier und dort auf einige hervorragende Steine, um die sich die traurigen Ueberreste halbverfaulter nezförmiger Weiden noch schlangen,blätterlos, und nur durch die Richtung ihrer Aeste noch kenntlich schienen sie mir zu sagen: Du hast dich geirret.

Dieser Bergrücken ist dem grössern Wazmanne viel näher als dem kleinem,daher auch das nördliche Thal enger als das südliche ist; die Sonnenstralen können also ungehindert das südliche Theile erwärmen, und die Feuchtigkeit des Bodens in nährende Säfte verdünnen; aber an der Nordseite werden sie von diesem Bergrücken aufgehalten, dessen Höhe zwar an sich nicht sehr beträchtlich, aber doch groß genug ist einen ewigen Schatten in dieses enge Thal zu werfen.

Diese Verlängerung des Eises kömmt dann im gegenwärtigen Falle von einem ganz besondern Umstande her; aber der ewige Schnee im salzburgischen Hochgebirge, von dem ich neulich schrieb, und noch viele andere Schneegefilde unserer Alpen in Europa, die ehemals vortreffliche Weydeplätze waren, sind Sachen, von denen vielleicht die Erklärung ungleich schwerer halten dürfte. Gleichwohl fürchte ich nicht mit Büffon, daß einstens die Einwohner von Burghausen gezwungen werden sollten ihre Stadt zu verlassen, um nicht unter einem ewigen Schnee erstarren zu müssen. Die Abnahme der Wärme widerspricht vielmehr der bekanntesten Erfahrung: die heutigen ltaliäner finden Deutschland bey weitem so kalt nicht, als die Römer das alte Germanien fanden.  Man könnte einwenden, das Aushauen der Wälder in Deutschland öffne der Sonne den Zutritt zur Erdfläche, und verhindere die gar zu schnelle Verflüchtlgung der Erdwärme, unterdessen das heutige Italien selbst nicht mehr so warm ist,als es inden Zeiten des Julius Cäsar war. Man behauptet aber das leztere, ohne daß man dabey im Stande wäre es zu erweisen, und die Ausreutung der Wälder in Deutschland sollte eher die Verflüchtigung der Erdwärme begünstigen als verhindern, wenigstens würde sich, alles gegeneinander abgewogen, Vermehrung und Verminderung so ziemlich gegeneinander aufheben.

Ich glaube immer, daß sich alle die neuerlich mit ewigem Schnee bedeckten Gebirggegenden wohl sicher in dem Falle des engen Thales, das in der Wazmannscharte zwischen dem erst entstandenen Bergrücken und dem grössern Wazmanne liegt,befinden dürften. Höher gewordene Eisberge können allerdings in den nahe gelegenen Gebirgthälern Gletscher erzeugen; aber man schließt, deucht mir, zu voreilig von dem, was auf Alpen vorgeht, wo die dünnere Luft der Sonnenwärme sehr wenig empfänglich ist, auf das, was in Ebenen geschehen soll; so bald in dem offt erwähnten Thale die Sonnenstralen wieder ungehindert auf die Erde  treffen  können, war alles in der schönsten Blüthe, und ich stand wirklich mit dem einen Fusse auf Schnee, und hatte mit dem andern schon eine blühende Pflanze zerknickt, ein deutlicher Beweis, daß in diesen hohen Gegenden alles auf den unmittelbaren Einfluß der Sonne ankomme, und daß an den seltsamen Erscheinungen der Kälte die eigenthümliche Erdwärme (wenn es je eine eigenthümliche Erdwärme giebt; denn an Centralfeuer glaube ich so wenig als an die Geschichten tausend und einer Nacht) keinen Antheil habe.

Nachdem ich von meinem beschwerlichen aber interessanten Spaziergange zurückgekommen war, gieng ich mit meinem Führer abermal an einer Wand, die eine Fortsetzung des grössern Wazmannes ist, hinauf, und kam auf den Falz, so heißt die Gegend über dieser Wand, die ein guter Weydeplaz ist, aber am Wasser Mangel hat. Wir hatten kaum etwas Speise und Trank genossen, als das Donnerwetter, das ich mir oben in der Wazmannscharte prophezeihet hatte, da war; dieß nöthigte uns länger Halte zu machen, als uns lieb war. Inzwischen wußte ich mich in der dunkeln Hütte mit nichts besserm, als mit Schlafen zu unterhalten. Nachdem das Ungewitter vorbey war, giengen wir die Mittercasa (abermal ein ganz hübscher, etwas tief liegender Weydeplaz) vorbey nach der Grube, ein anderer Weydeplaz, der noch tiefer, aber sehr angenehm liegt.

Hier übernachteten wir. Den folgenden Tag gieng die Reise abermal bergan, nach der Gugel, wieder eine Fortsetzung des grössern Wazmanns; von da über das Schärte! (eine sattelförmige Vertiefung dieses Bergrückens) nach den Schüttalben. Hier ruhten wir aus: denn ob es gleich Mittag war, so nahmen wir dennoch ausser etwas Suppe nichts zu uns, weil wir uns beyde nicht wohl befanden; die Nässe des gestrigen Tages hatte vermuthlich die meiste Schuld daran. Von hier gieng die Reise immer bergab, gegen den Winbach zu, der da, wo wir an ihn kamen, schon nicht mehr höher, als Berchtesgaden selbst, liegt. Ich untersuchte unterwegs einige Kreidenstücke, die man jenseits des Baches aus dem Berge gewinnt, und womit einiger Handel getrieben wird, aber mein Führer, der sich unterdessen auf einen nahen Hügel begeben hatte, um sich nach der Gegend umzusehen, erinnerte mich, wir hätten nicht Ursache uns lange aufzuhalten, weil er abermal ein Donnerwetter in der Ferne erblickt hätte. Es war dasselbe auch eher da, als wir es vermutheten, und wir mußten unter einem starken Platzregen noch einen ziemlichen Weg machen, ehe wir ein Haus erreichen konnten.

Dieß ist so ungefähr das Resultat meiner zweyten Gebirgreise, die mir eben so viel Vergnügen als Belehrung verschaffte. Die kleinen Unbequemlichkeiten, die mit dergleichen Reisen allemal mehr oder weniger verbunden sind, entfallen dem Gedächtnisse, so bald sie überstanden sind; aber die herrlichen Früchte derselben sind fortdauernd. Ich wünsche nur, daß Sie diese Nachricht mit eben so vielem Vergnü gen lesen mögen, als mir die Erinnerung an diese Reise gewährte,und verharre u. s. f.

Schrank

Umfeldtouren – Mooslahnerkopf

Der Mooslahnerkopf bildet eine Fortführung des Nord-Ost-Sattels, bzw. Grates des kleinen Watzmanns und ist sowohl eigenständiger Berg und Aussichtspunkt als auch Ausgangspunkt für eine Besteigung des kleinen Watzmanns.

Mooslahnerkopf – 1815 Meter
  • von Kühroint in Richtung Archekanzel
  • zu querender Forststrasse nach rechts folgen
  • nach langezogener Rechtskurve, ca. 500 Meter, Steig nach links in den Wald
  • auf erkennbarem Steig steil zum Gipfel
  • Höhenmeter ca. 500 Meter
  • Schwierigkeit : mittlere Wanderung
  • Zeitbedarf : ca. 2-2,5 Stunden

Der Blick vom Gipfel des Mooslahnerkopfs bietet eine neue Sicht auf den kleinen Watzmann. Die Struktur des Felsens zeigt sich in ihrer ganzen Schönheit. Die Führe über den Grat und der folgende Aufstieg zum Gipfel können gut verfolgt werden.

Der Abstieg vom Gipfel kann bei Nässe mit gewissen Schwierigkeiten behaftet sein.