Georg Leuchs und Wilhelm von Frerichs – Ein neuer Weg auf die Südspitze

Im Jahresbericht 1899/1900 des Akademischen Alpenvereins München findet sich der Tourbericht einer von Georg Leuchs und Wilhelm von Frerichs durchgeführten Erstbegehung in der Ostwand des Watzmanns.

Leuchs und Frerichs berühren dabei Teile des Jahrzehnte später eröffneten Berchtesgadener Weg, kletten die Wasserfallplatte von unten und streifen den Bereich der Rampe unter der gelben Wand.

7. September 1900

Watzmann-Südspitze, 2712 m (neuer Aufstieg aus dem Eisthal) – Dr. Wilhelm von Frerichs, Georg Leuchs.

„Da, wo sich der Lawinenkegel der „Eiskapelle“ zu einer Zunge verschmälert., welche in die zum bisherigen Aufstieg dienende Schlucht hinaufzieht, mündet in den von der Schönfeldschneid abfallenden Wänden eine Rinne, welche – von unten betrachtet – sich als heller Streifen verfolgen lässt, der sich in flachem Bogen mit der Konvexität nach rechts oben bis in die Nähe der Schönfeldschneid erstreckt. (Diese nur scheinbar ununterbrochene Rinne kreuzt unsere Anstiegsroute in dem unten erwähnten Kar.) Weiter links mündet zur Eiskapelle eine zweite Rinne. Zwischen diesen beiden Rinnen, näher der linken, gelang schwierig die Ueberschreitung der Randkluft (ca 990 m). Nach kurzer Kletterei über splitterigen Dolomit gelangten wir auf steiles Grasterrein und stiegen über dasselbe, sowie über zwischengelagerte plattige Schrofen gerade aufwärts; ca. 850 m über dem Einstieg erreichten wir ein schutterfülltes Kar. Rechts hinten ist eine mächtige gelbweisse Wand; rechts von derselben springt ein Sporn in das Kar vor. Unsere Absicht war, auf diesem Sporn, der auch einige Latschen trägt, emporzuklettern, bis es möglich wäre, nach links unter der gelben Wand durchzutraversiren auf eine Plattenflucht oberhalb der Steilstufen, welche den Hintergrund des Kares abschliessen. Wir stiegen auf dem Sporn ziemlich gerade empor, anfangs über gut gestuften Fels, dann über steiles, grasdurchsetztes, unzuverlässiges Geschröfe von zunehmender Schwierigkeit. Ca. 140 m über dem letzten Latschenkopf auf dem Sporn, da wo eine Rinne beginnt (ca. 1740 m), welche, rechts von der gelben Wand eingeschnitten, zu einem mächtigen – von unten nicht sichtbaren – Plattenband emporführt und vermutlich auch den Weiterweg vermitteln würde, konnten wir leicht die beabsichtigte Traverse nach links auf einem etwas absteigenden Bande ausführen. Auf der Plattenflucht stiegen wir wiederum in im allgemeinen gerader Richtung empor und durchkletterten nun die mächtige Wand, welche über dem linken Teil der Platten sich aufbaut. Von den Platten weg in einem Winkel der Wand einsteigend (ca. 1900 m), gelangten wir nach kurzer Kletterei aufwärts auf ein System von Bändern und Gesimsen, die wir nach links verfolgten (Kletterschuhe !), bis wir eine 50 m hohe Kaminreihe trafen, welche in die senkrechte Wand eingeschnitten ist. Der unterste dieser sehr schwierigen flachen Kamine liess sich von links her umgehen, die übrigen wurden durchklettert. (Ende der Kamine ca. 1975 m.) Nun wieder eine 60 m lange Traverse nach links zu einer mässig geneigten Platte. Ueber derselben folgten fünf kurze, aber teilweise überhängende, von schmalen Absätzen unterbrochene Wandstufen, welche in Äusserst schwieriger Kletterei erstiegen wurden, die letzte mit Hilfe eines Mauerhakens. (Ende der Wandstufen ca. 2060 m.) Leichtere Grasschrofen leiteten dann nach rechts aufwärts in eine Rinne, durch welche wir relativ leicht in eine Einsattlung (ca. 2200 m) hinter einem Felskopf gelangten, der als oberster Punkt der durchkletterten Wand anzusehen ist. Von hier aus steht der Weg zum Grat offen; ebenso könnte man wohl auf den Schichtenbändern nach rechts abwärts die alte Route in ihrem obersten Teil erreichen. Am besten hält man sich indes wohl schief nach rechts aufwärts direkt gegen den Gipfel der Südspitze. Wir kletterten im allgemeinen gerade empor und erreichten, schliesslich noch durch einen sehr schwierigen Kamin, die Schönfeldschneid, ca. 250 m unter dem Gipfel. Wegen der vorgerückten Zeit mussten wir davon abstehen, den Grat zu verfolgen; wir traversierten daher auf den obersten Rand des Schönfelds und erreichten auf der Wimbachroute den Gipfel.

Königssee ab 2 Uhr 50 Min., Bartholomä 3 Uhr 50 Min Felseneinstieg 5 Uhr 45 Min., Kar 6 Uhr 50 Min., Einstieg in die Steilwand 10 Uhr 50 Min., Einsattlung 3 Uhr 20 Min , Schönfeldschneid 6 Uhr, Gipfel 7 Uhr, Watzmannhaus 9 Uhr 30 Min. Die Tour dürfte von Bartholomä bis zur Südspitze eine mittlere Zeitdauer von 12 Stunden excl. Rast erfordern; die Schwierigkeiten sind grossenteils denen der bisherigen Route gleich, übertreffen sie jedoch stellenweise bedeutend, namentlich in der Steilwand nach der Plattenflucht, welche sich indes vielleicht nach links umgehen lässt. (Die Angaben über rechts und links verstehen sich im Sinne des Anstiegs.)“

REDAPA @ Watzmann – Auf der Spur der Rampe unter der gelben Wand (3/5)

Im Bergsteiger des Jahres 1952 erfolgte nun eine Reaktion von Max Gruber aus München auf den Bericht von Paul Bernett.

Bergsteiger, 1952, Seite 11

Walzmann-Ostwand.

Am 27. August 1949 stieg ich mit meinem Sektionskameraden Max Hintermeier in die Watzmann-Ostwand ein, um den Berchtesgadener Weg zu begehen. Wir kamen jedoch zu weit nach links und stiegen auf der nunmehr Im „Bergsteiger“, Heft 12/1951, beschriebenen Rampenroute empor. Der von den Herren Bernett und v. Schlebrügge erwähnte Abseilhaken wurde von mir im Aufstieg zur Sicherung geschlagen. Wegen schweren Gepäckes erreichten wir das Rampenende erst bei einbrechender Dämmerung, wo wir biwakierten. Bevor wir uns über den Weiterweg schlüssig gemacht hatten, sahen wir auf dem Salzburger Weg zwei junge einheimische Kletterer und sodann fünf ältere Nürnberger nahe bei uns heraufkommen. Mit den Nürnbergern waren wir gemeinsam auf dem Gipfel. Diesen gegenüber bemerkten wir, daß wir eine Variante zum Berchtesgadener Weg gemacht hätten. Es war uns damals noch nicht klar, mit diesem Aufstieg ein Problem gelöst zu haben. Der ausführlichen Routenbeschreibung der Herren Bernett und v. Schlebrügge im ,,Bergsteiger“, Sept. 1951, S. 103, habe ich nichts hinzuzufügen. Die außerordentliche Brüchigkeit des Gesteins erfordert äußerste Vorsicht.

Fritz Gruber, Sekt. München DAV.

REDAPA @ Watzmann – Auf der Spur der Rampe unter der gelben Wand (2/5)

Die beiden grundsätzlichen Optionen am Ende der Rampe sind

  1. südlich zum Pfeiler und darüber Aufstieg zum Südgrat
  2. nördlich im Abstieg auf den Berchtesgadener Weg

Bernett berichtet nun im Bergsteiger aus dem Jahre 1951 über eine Tour mit von Schlebrügge aus dem Jahre 1951 welche in der Option 2 ausgeführt worden ist.

Bergsteiger, 1951

Neutouren

Watzmann-Ostwand. Direkte Durchkletterung der „Rampe unter der gelben Wand“ (Paul Bernett und Hans v. Schlebrügge an 15. Juli 1951).

Im linken, südlichen Teil der Wand sieht man von Bartholomä unter der Verlängerung des ersten Bandes links der Gipfelschlucht eine steile Rampe, die unter einer auffälligen, gelben Wand parallel der Rampe des Berchtesgadener Weges von links unten nach rechts aufwärts zieht. Sie nimmt ihren Anfang in dem Kessel am oberen Ende der großen Rinne., deren rechte Begrenzung der Berchtesgadener Weg anfangs benützt. Die Rampe endet südlich der Gipfelschlucht auf der Verlängerung des ersten Bandes. Über diese „Rampe unter der gelben Wand“ führt der Anstieg.

Zunächst auf dem Berchtesgadener Weg bis in Höhe des oberen Wasserfalles. Jetzt wendet man sich nicht nach rechts zur Berchtesgadener Rampe, sondern steigt über leichtes Gelände aufwärts bis zu dem Beginn der „Rampe unter der gelben Wand“. Zunächst leicht, am besten auf ihrer rechten Begrenzung, da hier der Fels fester ist, dann schwieriger über steile Wandeln in schöner Kletterei mehrere Seillängen hinauf, bis sich die Rampe mehr zusammenschnürt und man um oder über eine kleine, sehr splittrige Wandstufe zu einer auffälligen gelben Gufel gedrängt wird, wo sich die Rampe mit der gewaltig überhängenden; gelben Wand verschneidet.

(Hans v. Schlebrügge und Usch Himmighoffen hielten sich 1949 bei der vermutlich ersten Begehung der Rampe ungefähr eine Seillänge mehr rechts und stiegen im wesentlichen am Rande der Rampe empor, bis sie im oberen Drittel zu dem später erwähnten 10-m-Riß gedrängt wurden. Die Kletterei in schönem, meist festen Fels ist leichter als die Rampenverschneidung.)

Nun immer in der gelben Rampenverschneidung zu einem Abseilhaken eines früheren Versuches. Etwa eine Seillänge stets auf ihrem Innenrand weiter, bis sich dieser Teil der Rampe steiler aufbäumt. Der Aufschwung endet oben in einem auffälligen, glatten, etwa halbmeterbreiten, hellen, ins ersten Teil überdachten Band. Unter ihm an spärlichen Griffen aus der inneren Verschneidung rechts heraus und nach wenigen Metern gerade über eine kleingriffige Wandstelle empor. Nun auf festeren Fels über Wandln und Bänder, sich rechts haltend weiter, bis sich die Rampe wieder mehr zusammenschnürt, auf ein bequemes Band. Von seiner linken Hälfte leitet ein 10-m-Riß zu einem kleinen Geröllfleck, und über den folgenden kurzen, überhängenden Kamin erreicht man einen guten Standplatz vor einer kleinen Höhle am innersten Rampenrand. Über den überhängenden und bemoosten Riß mit Seilzug (die bei der ersten Begehung gewählte Aufwärtsquerung über die glatte Wand rechts davon ist schwerer) auf ein kleines Band, das man einige Meter nach rechts verfolgt. Nun über Wandstellen und grasdurchsetzte Bänder erst gerade hinauf, dann rechts zu dem die Rampe abschließenden Seitengrat. Gut gestufter, steiler Fels führt auf die Fortsetzung des ersten Bandes. Am besten auf ihm etwa zwei Seillängen absteigend zum Beginn der Gipfelschlucht und durch sie zum Hauptgipfel.

Höhe der Rampe etwa 400 m. Überaus schwierig, V. Innerer Teil der Rampe brüchig. Schlechte Sicherungsmöglichkeiten. Benötigte Kletterzeit etwa 8 Stunden. Der Weg stellt höhere Anforderungen als der Salzburger Weg. Landschaftlich besonders eindrucksvoll.