Hermann Lapuch und Kaspar Wieder – Die Eroberung des Riesenbandes

Zu den sehenswertesten Kletterrouten am Watzmann gehört die sogenannte Wieder-Route.

Vom Gletscher des Watzmanns aufsteigend traversiert man im Rahmen der Route auf einem ca. 300 Meter langen und ca. 40 Meter breiten Band, bevor man den auf der Mittelspitze endenden Anstieg in der Ostwand auf den Gipfel des Watzmanns klettert.

Das Salzburger Blatt vom 26.05.1920 berichtet über die am 24.05.1920 erfolgte Erstbegehung durch Lapuch und Wieder.

Salzburger Wacht, 26.05.1920

Erstbesteigung am Watzmann

Am 24. d. M. vollführten die Salzburger Alpinisten Herm. Lapuch und K. Wieder die erste Ersteigung der Watzmann-Mittelspitze über die Ostwand direkt von der Mitte des Watzmanngletschers aus.

Viel Schnee, Bereifung und Wasser gestalteten den Durchstieg sehr schwer und gefährlich. In späterer Jahreszeit wohl die großartigste Band- und Plattenkletterei in prächtiger Hochgebirgslandschaft. Kletterzeit 5 Stunden 20 Minuten. Wandhöhe reichlich 600 Meter. Ausstieg knapp südlich des Gipfelkreuzes, 2713 Meter.

Franz von Schilcher – Auf dem Gipfel des wilden Gesellen

Die Erstbesteigung des kleinen Watzmanns, auch Watzmannfrau genannt, genau zu datieren und mit Primärquellen zu belegen gestaltet sich schwierig.

Franz von Schilcher bestieg den Gipfel des kleinen Watzmanns am 27.08.1863 und berichtet hierüber in einem längeren Aufsatz über die Berchtesgadener Gruppe aus dem Jahre 1878.

Zeitschrift des deutschen und österreichischen Alpenvereins, 1878, S. 185

Aus der Berchtesgadener Gruppe

Franz von Schilcher, München

Kleiner Watzmann.

1 Ersteigung des Kleinen Watzmann 2293m*).

Am 27. August 1863 Morgens 5 U. 30 MA verliess ich mit Johann Grafl Berchtesgaden. Beim Brunnwerk Ilsang überschritten wir die Ramsauer Ache und stiegen über die Schappach- nach der Kühroint-Alpe am Fusse des Kleinen Watzmann, der auch hier die Gestalt, in welcher er sich vom Thal aus repräsentirt, beibehält, jedoch in der Nähe betrachtet, so gewaltige Wände und Schrofen zeigt, dass sein Ruf als wilder Geselle vollkommen gerechtfertigt erscheint.

8 U. 20 begannen wir die Besteigung und gelangten anfänglich durch Fichtenwald, dann später über felsiges, mit Krummholz bewachsenes Terrain, zuletzt eine Strecke weit am Rand der Watzmannscharte rasch in die Höhe. Bald schlugen wir die östliche Richtung ein und es folgte nun eine mühselige Wanderung durch fast undurchdringliches Latschen Latschendickicht, an einigen mächtigen Steilwänden vorüber, zuletzt betraten wir den Grat und gelangten theils auf ihm selbst, theils unter seinem Südabfall fortschreitend 10 U. 15 zur Spitze. Sie bildet eine nicht ungeräumige, sanft gewölbte Kuppe mit leichtem Grasanflug.

Die Aussicht über das Berchtesgadener Thal, der Blick auf den Göll und die ihm östlich sich anschliessende Gruppe der Königseer Berge, dann südlich auf die Schneefläche der Uebergossenen Alpe und auf einen beträchtlichen Theil der Tauernkette, auf den Obersee, vor Allem aber der Anblick des unmittelbar zu Füssen sich ausbreitenden Königseespiegels bieten dem Auge ein Bild voll Reiz und Erhabenheit. Ein Anblick unbeschreiblicher Wildheit und massloser Zerstörung stellt sich dar, wenn man gegen W. gewendet in die Fels- und Schneebecken der Watzmannscharte hinabschaut. Die Schrofenreihe der „Watzmannkinder“ schliesst dieselbe gegen S., die himmelanstrebende Mauer des Grossen Watzmann gegen W. ein. Der uns zunächst gelegene Schroten steigt mächtig und steilwandig auf; unsere Spitze überragt ihn kaum um 200′; der Bezeichnung eines „Watzmannkindes“ ist er also eigentlich entwachsen. Gerne hätten wir noch länger auf unserer Zinne verweilt, hätte nicht der Gedanke an den Abstieg zur Scharte und die Möglichkeit hiebei eintretender Zwischenfälle zum Auf Aufbruch gedrängt.

1 Uhr verliessen wir die Spitze, die südöstlich und südlich umgangen werden muss; an der Westseite hinabzugelangen erklärte der Führer für unmöglich und in der That scheinen die lothrechten, stellenweise stark überhängenden Wände diesen Ausspruch zu bestätigen. Wir stiegen zuerst an der Südostseite ziemlich tief hinab, steuerten dann aber bald in westlicher Richtung der Lablscharte zu, wobei zuerst in schwindelnder Tiefe der Königssee und St. Bartholomä, dann der tief eingerissene nach 0. jäh hinabziehende Lablgrabenunter uns lag.

Nach Inständigem beschwerlichem Abwärtsklimmen an verwitterten Schrofen und durch steile, mit losem Schutt erfüllte Kamine, wobei es an wirklich gefährlichen Situationen nicht mangelte, langten wir schweissgebadet an der Labischarte an, einer thorartigen Einsenkung zwischen dem Kleinen Watzmann und dem oben erwähnten Schrofen; in grosser Tiefe liegt der Eis- oder Schartenboden unter uns. Aufs neue beginnt das Klettern, Gesimse um Gesimse muss überwunden werden, das letzte unter einer stark über überhängenden ­hängenden überhängenden Wand. Es ist dies die schlimmste Stelle der ganzen Partie; denn kaum zwei Hände breit und ziemlich stark ab abwärts ­geneigt ist die Basis, auf welcher, in halb liegender, halb sitzender Stellung, zur Rechten die Felswand, zur Linken einen tiefen Abgrund nach Bergmannsart 20 — 25′ abgerutscht werden mnss. Ein Seil hätte hier gute Dienste geleistet. Als der erste passirte ich ohne Unfall die gefährliche Stelle, am Bergstock glitten die Rucksäcke hinab, glücklich folgte zu zuletzt der Führer.

Hier angelangt rasteten wir; es war 2 U. 30. Damals bot sich uns der seltene Genuss, an 100 — 150 Gemsen die zur Abhaltung einer für die nächsten Tage beabsichtigten Hofjagd zusammengetrieben waren, in nächster Nähe beobachten ­zu können. 3 U. 30 brachen wir auf, passirten ziemlich  mühelos den untersten Theil der Scharte und langten um 4 U. 10 wieder auf Kühroint an.

*) So weit meine Erkundigungen reichen, war derselbe bis dahin noch von keinem Touristen bestiegen worden; im Jahr 1861 hatten  vier Berchtesgadener Führer, die Gebrüder Johann und Josef Grafl, Mich. Walch und Rupert Holzeis die Besteigung ausgeführt und zwar mit dem Abstieg durch die Scharte. Im August 1869 wurde — jedoch ohne Auf- oder Abstieg stieg Abstieg durch die Scharte — die Spitze des Kl. Watzmann erstiegen von Fräulein Anna Blumenbach aus Riga mit Joh. Grafl; um dieselbe Zeit auch von Hermann v. Barth, welcher meines Wissens die Scharte nicht berührte.

 

Entwicklungsphasen des Alpinismus

Albert Hirschbichler, in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Rekordhalter für die schnellste Begehung der Watzmann Ostwand auf dem Berchtesgadener Weg in 2 Stunden – 10 Minuten und 12 Sekunden, gibt hier einen interessanten Abriss über die Entwicklung des Alpinismus unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung in den Berchtesgadener Alpen.

Das von Hirschbichler präsentierte Phasenmodell unterteilt sich in 5 Epochen. Innerhalb der Berchtesgaden prägenden Epoche  identifiziert er seilschaftsbasierende Subphasen.

1.) Die Epoche des PräalpinismusVon den Anfängen bis zur Erstbesteigung des Mont Blanc 1786

2.) Die Epoche des frühen AlpinismusVon der Erstbesteigung des Mont Blanc bis zur Gründung der alpinistischen Organisationen 1857-69

3.) Die Epoche des klassischen AlpinismusVon der Gründung der alpinen Vereine 1857/69 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts

4.) Die Epoche des modernen AlpinismusErste Hälfte des 20. Jahrhunderts; die „letzten Probleme“ in den Alpen und modernes Klettern

5.) Der zeitgenössische Alpinismus – Von der Ersteigung des ersten Achttausenders 1950 bis in die Gegenwart

 

Der moderne Alpinismus im Berchtesgadener Land

1900-1920: Berchtesgadener Kletterpioniere
Die 20er Jahre – Josef Aschauer, kühne Routen im V. Grad ohne Haken
Die 30er Jahre – Die Seilschaft Hinterstoisser/Kurz eröffnet Routen im VI. Grad

 

 

Franz Paula von Schrank – Ein Botaniker unterwegs im Watzmannkar

Im Jahre 1784 bereiste der bekannte Botaniker Franz Paula von Schrank unter anderem das Watzmannkar und berichtete darüber in Briefform Karl Ehrenbert Ritter von Moll.

 

In sehr eindrucksvollen Worten beschreibt er das Gebiet und seine gewonnenen Eindrücke.

Naturhistorische Briefe über Oestreich, Salzburg, Passau und Berchtesgaden von Franz Paula Schrank  

Sechszehnter Brief. Burghausen,den 8. Horn. 1784.

Zweyte Alpenreise. Glingwand. Hochfeld. Küheraind. Wazmannscharte. Einstürzen der Berge. Fortgang der Vegetation und des Eises. Fernere Reise.

Ob mir gleich auf meiner vorigen Reise täglich ein Donnerwetter drohte, so war nichts destoweniger die Witterung sehr angenehm, und zum Reisen bequem, ein Glück, das ich bey meiner zweyten Alpenreise nicht genoß, aber auch, nicht Ursache hatte zu vermissen, weil ich dafür durch Bemerkungen verschie dener Naturkörper hinlänglich schadlos gehalten wurde, die ich bey trocknem Wetter entweder gar nicht oder nicht so bequem würde haben beobachten können. Wie in der Natur alles gut ist, vom willigen Stiere, der den Pflug über fettes Ackerland hinzieht, bis zum grimmigen Tiger, der auf Menschen und Thiere wüthend dahinstürzt, so giebt es auch an diesem grossen Meisterstücke der Allmacht keine Seite, die dem Beobachter nicht neue Aussichten öffnete.

Ich hatte dießmal ausser meinem Träger, der zugleich mein Führer war, keinen Menschen bey mir, weil ich auf meiner ersten Reise gelernet hatte, daß grössere Gesellschaften auf dergleichen Reisen eher hinderlich als vorteilhaft seyen. Wir giengen ziemlich frühe von Hause aus, und kamen gleichwohlerst gegen Mittag im Herrenraind an, einem Weydeplatze, der dem fürstlichen Stifte eigenthümlich angehöret, aber jezt verpachtet ist. Die Sennhütte war hier nicht von Holz, und, wie die meisten übrigen übel bedeckt; sie war vielmehr durchaus gemauert, und so gut eingerichtet, daß sie bequemer, als manches Bauernhaus, zu bewohnen war. Hier nahmen wir unser Mittagmahl ein, das mir weit besser würde geschmecket haben. wenn ich diesen Morgen reicher an Naturkörpern, oder Bemerkungen über dieselben geworden wäre, als es wirklich geschah.

Man kömmt, nachdem man einmal die bewohnten Gegenden zurückgeleget hat; durch einen beschwerlichen Steig an der Klingwand hieher, und muß eine ziemlich tiefe Schlucht umgehen, die ganz mit den Trümmern der einfallenden Seiten bedeckt ist. Der Steig, von dem ich eben sprach, zieht sich an der Klingwand fort, und ist ziemlich steil, aber so breit, daß man dem Schwindel sehr stark ergeben seyn müßte, wenn man einen Sturz in die Schlucht thun sollte; unterdessen hat man doch Ursache behutsam zu gehen, weil man auf einem so starken Abhange, der ganz mit losen Kalksteintrümmern bedeckt ist, sehr leicht ausglitschen könnte; die Gefahr wird bey nassem Wetter beträchtlicher, weil es, wie mich mein Führer nochmals versicherte, grosse lettigte Stellen giebt, die durch die Feuchtigkeit schlüpfrig gemacht werden.

Dieser Letten, den ich bey der trocknen Witterung nicht wahrnahm. mag nun von einer Natur seyn. von welcher man will, Mergel oder Thon, (wahrscheinlich ist er Mergel), so ist er bemerkenswerth genug, daß ich mich einen Augenblick dabey aufhalte.

Dieser  Letten setzt weder  in die Tiefe noch in die Wand fort, sondern überdecket bloß an einigen Stellen den Boden; ich hatte sowohl das Gestein der Wand, als das in der Schlucht genau betrachtet, und überall eitel brüchigen Kalkstein gefunden; der Letten scheint daher nichts weiter zu seyn, als ein Mergel, der aus dem Sandsteinstaube, unter welchen sich vegetabilische  und thierische  Bestandtheile  gemischet hatten, entstanden war, Ich hatte eine ganz ähnliche Erscheinung an der Strasse von Salzburg nach Burghausen, als ich am 27. Julius nach Hause reisete. Vermuthlich ist diese Strasse fast bis über Laufen herab mit lauter Kalksteintrümmern beschüttet, daher sie auch in der Sonne sehr blendend weisgrau ist. Nun hatte es aber drey Tage lang sehr stark geregnet,und ich fand die jezt wieder trocknende Strasse schmierig, und den Koth geschickt sich einigermassen bilden zu lassen, eine Eigenschaft, die nur dem Thone und den damit verbundenen Erdarten zukömmt. Dieß erinnerte mich ganz natürlich an die höchst wahrscheinliche Hypothese unsers berühmten Herrn Dr. Brunnwiesers, der dafür hält, daß schlechterdings alle Steinarten durch den Beytritt vegetabilischer Substanzen in Thon  verwittern,  welche  Behauptung  er  in  den Abhandlungen der kurfürstlichen Akademie zu München weitläuftiger auseinander gesetzet, und für mich durch Vorweisung verschiedener Steinarten, derer äussere der Lufft ausgesetzte Seiten offenbar Ineinen meistens eisenschüssigen Thon verwittert waren; vorzüglich lehrreich waren mir einige Hornsteine, die mit Adern durchwebet waren, welche in den thonartigen Theil ununterbrochen fortsetzten, zum deutlichen Beweise, daß dieser nicht erst anderwärtig hinzugekommen sondern aus dem Steine selbst entstanden sey. In dieser Hypothese werden die concentrischen Thonsteinrinden begreiflich, die man auf den schönen Agatkugel n des Herzogthums Zweybrücken antrifft, sie sind nichts anders, als die äussersten Agatschichten in ihrer Verwitterung.

Nach eigenommenem Mittagmahle giengen wir nach dem Küheraindfort; allein ein hefftiger Regen nöthigte uns in einer Holzhütte unsere Zuflucht zu nehmen, wo wir einen Bauerknecht antraten, der ebenfalls unter diesem wirthlichen Dache das Ende des Regens abwartete. Wir giengen von Zeit zu Zeit einer um den andern hinaus, um zu sehen, ob der Regen bald ein Ende nehmen möchte, allein es hatte allen Anschein, daß er mehrere Tage fortdauren, und die fernere Reise schlechterdings unmöglich machen dürfte; es ward daher die Rückreise beschlossen.

Unterdessen verdroß michs gleichwohl, diesen Gang vergeblich gemacht zu haben. Der Bauernknecht hatte mir vieles von der schönen Gegend des Küherainds erzählet, und die Erfahrung gegeben, daß man den Weg dahin nicht verfehlen könne, wenn man nur auf die Tauben (kleinere Steine, die auf die grössern Felsenstücke gelegt werden, dadurch die Jäger und Holzknechte die Wege bezeichnen) Obacht hätte. Ich befahl also meinem Träger in der Hütte zu verbleiben, unterdessen ich nach dem Küheraind mitten unterm Regen so lange als mirs gelustete, fortgehen würde; hier würde ich dann, im Falle daß der Regen wirklich fortdauern sollte, wieder eintreffen, um mit ihm nach Hause zu fahren; sollte sich aber inzwischen der Himmel wider Vermuthen ausheitern, so hatte er den Betehl mir zu folgen.

Ich gieng anfänglichden Tauben ganz sorgfältig nach; aber bald hatte ich über den Pflanzen die Tauben vergessen, und gerieth auf das Hochfeld, eine ehemals waldigte Gegend,wo man aber seit geraumer Zeit das Holz abgetrieben hatte. Ein Naturforscher geht eigentlich niemals irre, und mich reuete es nicht hieher gerathen zu seyn; nur gieng ich, nachdem ich ich hier satt gesuchet hatte, nach den Tauben zuruck; allein ein Fahrweg, den ich so hoch nicht vermuthete, und auf den ich mich mehr, als auf die Tauben verließ, führte mich abermal auf das Hochfeld zurück. Inzwischen heiterte sich der Himmel allmählig auf, und versprach einen schönen Abend, ich gieng daher gerade in die Hütte zurück, um den Weg, den ich nun schon zweymal verfehlet hatte, In Gesellschaft meines Trägers zu machen; allein dieser war meinem Befehle schon nachgekommen, und keine Seele war mehr in der Hütte. Jezt mußte ich mich also bequemen, meine Augen bloß auf die Tauben zu hefften, um den Weg nicht zu verfehlen, den ich schlechterdings allein zu gehen gezwungen war; ich kam auch wirklich über den Meyerriegel, eine angenehme, etwas waldigte Gegend, im Küheraind glücklich an.

Es war dieß abermal eine herrliche Scene auf den Alpen; ein heiterer Himmel über mir, um mich säuselnde Weste, tief unten in der Ferne die Wohnungen und Sorgen der Menschen, und zu meinen Füssen ein lachendes Grüne, an dem die Regentropfen noch hiengen, in denen sich die scheidende Sonne  spiegelte; zween Menschen bey mir, mein Träger und ein Bauernknecht, der die Anstalten für den morgigen Tag vorkehrte, an welchem die Heerde diesen Weydeplatz beziehen sollte; der Mannder Heerde war auch schon vorausgegangen, und weydete die Erstlinge seines künftigen Gebietes ab. Das ist, meine Lieben! rief ich auf, das ist herrlich! Mir war hier so wohl, so inniglich zufrieden war mein Herz, daß ich diesen Abend unter die vergnügtesten Stunden meines Lebens zählen werde ; ich fühlte klar, daß de Lucs Ausdrücke über die hohe sanfte Schwermuth, die er und seine Gesellschaffterinn hoch oben auf dem Fura fühlten, nichts übertriebenes habe; ich war hier so ganz Gefühl, so ganz im Taumel der Wonne, daß ich auf alles vergaß, und es mußte mich mein Führer erinnern, daß der Abend fortrücke, und meine Pflanzen noch unversorget seyen. Ich gieng daher noch ein wenig herum, ob ich nicht etwas mehrers finden könnte, und besorgte das gefundene, so gut es möglich war. Ländliche Gespräche am Feuerheerde kürzten uns die Stunden des dunklem Abends, und ich fühlte auch hier in den naiven Reden meiner Gefährten so viele Seligkeit, daß ich mir ordentlich Mühe gab mich ihnen sogar in der Sprache gleich zu machen.

Der Küheraind macht mit dem Herrenraind eine Fortsetzung des kleinem Wazmannes aus; beyder hat sich sowohl, als der dazwischen liegenden Gegenden die Vegetation schon so sehr bemächtiget, daß sie sogar durch herrliche Waldungen getrennet werden, die meistens aus Tannen und Fichten bestehen, von denen beyde einen schlanken hohen Wuchs haben. Zwar stehen noch hier und da einzelne nackte Felsen über die Oberfläche hervor, die nur in ihren Vertiefungen mit niedrigen Pflanzen hinlänglich bewachsen sind, aber diese Felsen sind so sparsam, daß man sie auf dem fetten, mit den nahrhaftesten Pflanzen bewachsenen Boden leicht übersieht. Nur da wo Waldung ist, sind die Felsen zahlreicher,weil Nadelhö!zer die kleinem Pflanzen verdrängen, und Lufft und Witterung weniger frey an der Zerstörung der Steine arbeiten können.

Den folgenden Tag giengen wir nach der Wazmannscharte fort; so heißt ein ungeheures Thal, das oben, wo sich die Spitzen dieser beyden Berge befinden, anfängt, tief hinab reicht, und meines Erachtens hätte man von seiner größten Tiefe bis an die Spitze wohl drey bis vier Stunden zu steigen. Das war aber für mich nicht nothwendig, weil wir ziemlich weit oben hervorkamen; gleichwohl kam ich nicht eher als in anderthalben Stunden hinauf, und, ob ich gleich abwärts viel schneller gieng, so hatte ich dennoch eine gute Stunde dazu vonnöthen. Diesen Theil der Wazmannscharte werde ich in der Folge allemal durch die Ausdrücke: Zwischen den Wazmännern, im Wazmannthale, in der Wazmannscharte bezeichnen, weil ich nicht für nothwendig hielte, auch die untere Gegend zu untersuchen, besonders da ich deutliche Spuren fand, daß Vieh da geweydet habe, und daher meine Mühe wenig würde belohnet worden seyn.

Der Plan meiner Reise war anfänglich nicht darnach eingerichtet, daß ich dieses lange, felsichte Bergthal hinauf gehen sollte, aber der Anblick desselben hatte so viel hohes für mich, und versprach mir so viele Vortheile, daß ich mich alsogleich entschloß diesen äusserst mühesamen Spaziergang zu wagen. Ich that ihn ohne Gefährten, weil ich von weitem sehen konnte, wie beschwerlich dieser Gang für meinen Träger seyn müßte, der mir auch mit seinem Tragkorbe an manchen Gegenden zu folgen schlechterdings nicht würde im Stande gewesen seyn; zugleich war es nicht möglich zwischen den beyden Bergen irre zu gehen, oder sich zu versteigen. Ich nahm ihm daher die blecherne Büchse ab, hieß ihn einen Weg untersuchen, den wir in der Folge zu gehen hätten, und den man mir als gefährlich beschrieben hatte, und dann sollte er mich dem Orte, wo ich ihn verlassen hatte, gegenüber erwarten.

Stellen Sie sich zwo ungeheure Wände von Kalkstein vor, die so gerade sind, als die Wände Ihres Zimmers, zwischen diesen Wänden ein Thal, das noch viel steiler bergan läuft, als der steilste Landberg, und mit den Trümmern angefüllet ist, die alle Jahre im Frühlinge von diesen Wänden herabstürzen. Anfangs ist dieses Thal mit Rasen dicht, wie eine Wiese, bewachsen, nach und nach nehmen die Pflanzen ab, und ich mußte bald diejenigen, die ich sammeln wollte; zwischen den kleinem Steinen heraus holen. Allmählig verlieren sich auch diese mehr und mehr; alle Thiere bleiben zurück, kein Insekt, nicht einmal eine Fliege kömmt mehr dahinan, unterdessen die Felsentrümmern immer grösser daliegen, und jezt hat die ganze Botanik ein Ende, weil kein Pflänzchen,  kein Gräschen (eine undeutliche Steinflechte ausgenommen) mehr zu sehen ist. Hier stand ich, das einzige lebende Geschöpf in dieser weiten Wildniß, zwischen den Trümmern zweyer Berge, sah vor mir ewigen Schnee (kleinere Schneefelder hatte ich schon unterwegs zurückgelegt), und weithin hinter mir angebautes Land; rund um mich Bilder des Todes, Gerippe beständig nachstürzender Berge.

Mein Weg ward immer beschwerlicher, je höher ich kam; ich mußte mich bald zwischen zween nahe an einander stehenden  Felsen durchziehen, bald mit allen Vieren auf dieselben hinaufklettern, um auf der andern Seite noch weit mühesamer hinabzusteigen. Zuweilen konnte ich über den Rücken solcher grossen Felsentrümmern fortgehen, und von einem auf den andern hinüber kommen, ohne mich erst wieder im Steigen geübt zu haben; aber allemal mußte ich die Sache sehr behutsam angreifen, weil ich leicht von einem solchen umstürzenden Felsenstücke  hätte erdrücket werden können: denn Sie müssen wissen, daß derley grosse Trümmern offt auf kleinem, oben zugerundeten, aufliegen, die dann jedes Gewicht, das man an den Seiten anbrächte, umstürzen würde. Ich ward in diesem Stücke würklich durch die Erfahrung unterrichtet; ich wollte eben von einem solchen Felsenstücke auf ein anders hinübertreten, das ich seiner Grösse wegen fest genug am Boden glaubte, um mich tragen zu können; allein kaum hatte ich einen kleinen Theil meines Gewichtes auf den Fuß, mit dem Ich es berührte, sinken lassen,  als  das  Felsenstück  nach allen Seiten zu wackeln anfieng: schnell zog ich meinen Fuß zurück, suchte der Steinmasse durch einen Umweg beyzukommen, um ihren Grund zu untersuchen, und fand, daß sie auf einem andern grossen Felsenstücke, das in den Grund gedrücket schien, und eine ziemlich kuglichte Gestalt hatte, auflag, mithin dasselbe nur in der Mitte, und in gar wenigen Puncten berührte.

Ernsthaft und schaudervoll, aber doch angenehm, war mein Stand hoch oben in diesem schrecklichen Thale, zwischen den ungeheuren Trümmern der Berge. Der Anblick dieser grauenvollen Scene hatte für mich so viel Grosses, so viel Erhabenes, daß ich ihn gerne stundenlang fortgesetzet hätte; aber ein Nebel, der zwischen den beschneyten Gipfeln schnell und mächtig aufstieg, und mich ein baldiges Donnerwetter vermuthen ließ, hieß mich von meinem Betrachtungen abbrechen, und zu meinem Führer zurückkehren.

Höchstwahrscheinlich waren beyde Wazmänner, zwischen welchen dieses ungeheure Bergthal mitten inne liegt, ehedessen ein einziger aber sehr steiler Berg, dessen mittlerer Theil aus Mangel hinlänglicher Böschung nach und nach ausgebrochen ist; noch stehen an der Spitze dieses Thales einige Ueberbleibsel dieses Zwischentheiles, und noch jährlich fallen im Winter von den beyden Wänden einige Stücke herunter. Nichts ist übrigens natürlicher, als diese Begebenheit: denn ausser dem, daß schon der Begriff einer Wand jede Böschung ausschließt, so dringt Schnee und Regen in die Spalten dieser Felsengebirge unaufhörlich ein; frieret dieses, so springt dieselben noch mehr, und macht eine Menge Trümmern los, die bey den mindestem Anlasse herabfallen. Auf diese Art entstand längs des Thales hinauf zwischen den beyden Wazmännern ein neuer Bergrücken aus lauter herabgestürzten Felsenstücken, der, wie Sie sich leicht denken können, sehr starke Ungleichheiten hat, aber freylich mit seinen beyden Erzeugern so lange in keine Vergleichung kommen kann, bis diese einmal größtentheils eingestürzet seyn werden.

Mir fiel bey dieser Gelegenheit der Brief ein, den Sulpitius an den Cicero über den Tod seiner Tochter geschrieben hatte. Ich sah hier Berge sterben, die einer Ewigkeit trotzen zu können schienen, – und wir trauern untröstlich an dem Sarge einer geliebten Person, die schon damal zu sterben anfieng, da sie gebohren ward. Berge verwesen, wie Nationen dahinschwinden, und von den einen und den andern bezeichnet der spätere Geograph die Stelle mit Mühe, auch jedem von uns ist gleiches Loos beschieden, aber unsere Dauer hienieden soll nach dem Verhältnisse kürzer seyn, wie unsere Masse kleiner ist, als die der Nationen und Berge: unaufhörliche Widerwärtigkeiten sollen, wie Wetter und Kälte an den Gebirgen, an unserm Leben nagen; bis endlich nach den weisen Naturgesetzen, die der anbetenswürdige Schöpfer von Ewigkeit her bestimmet hatte, der Tag kömmt, daß jene gänzlich einstürzen, und wir in die Bahre dahin sinken, und jenen wie uns ein verhältnißmäßiger Hügel steigt. – So stählte ich hier an diesem grossen Schauspiele mein Herz wider alle Stürme, die unvermuthete Veränderungen auf dasselbe machen dürften, und wußte nicht, daß ich nach einigen Monaten bey dem Todfalle einer geliebten Schwester diese Vorbereitung nöthig haben sollte.

Was ich Ihnen neulich von dem Fortgange der Vegetation zu schreiben die Ehre hatte, fand ich hier in einem viel grössern Bezirke vollkommen bestättiget. Es war angenehm zu sehen, wie sich der Alprausch, und die nezförmige Weide um die Felssteine herumschlangen, und sie manchmal ganz einhüllten, wie ihre abgestorbenen Zweige eine kleine Schicht von Dammerde auf den Scheiteln dieser Felsentrümmern erzeuget hatten, die alsogleich von den Wurzeln kleinerer Pflanzen wieder befestiget ward. Freylich geht die Vegetation bey alle dem sehr langsam aufwärts; selbst ein Hügel nahe bey Berchtesgaden (der Lochstein) ist nur in seinen Spalten, und da, wo er flache Stellen hat, bewachsen. Alle diese Berge sind nämlich Kalkgebirge, die beständig von Lufft und Wetter angegriffen werden; der Regen wäscht die aufgelößten Theile augenblicklich weg, und die dünnen Flechten, die sich unaufhörlich an der Oberfläche dieser Felsen anzusetzen suchen, können sie nicht hinlänglich vor der Zerstörung schützen, vielmehr werden sie selbst, so bald sie in Verwesung gehen, mit fortgerissen, und in die  Thäler  hinabgeführt;  inzwischen halten die allenthalben herum liegenden Steine, und die dadurch verursachten Unebenheiten immer viele Dammerde auf, und so rückt aller Zerstörung ungeachtet die Vegetation gleichwohl immer vor. Ich stellte mir in meinen Gedanken schon die Jahrhunderte vor, in welchen diese jezt rauhen Berge bis an ihre, freylich beträchtlich erniedrigten, Gipfel bewohnet sein würden; sah da goldene Felder, wo ich jezt kümmerlich einige Alpenpflanzen zwischen den Steinen herausgrub: sah da Kaninichenwohnungen, wo jezt die Murmelthiere sich Löcher gegraben hatten.

Unter diesen süssen Träumen gieng ich an der südlichen Seite desjenigen Bergrückens, der sich zwi­ schen beyden Wazmännern aufthürmt, das Thal hinan; aber herab nahm ich meinen Weg an seiner nordlichen Seite, und wie war ich betroffen, da ich hier eben sowohl den Fortgang des Eises sehen mußte, als ich vorhin den der Vegetation gesehen hatte! – Ich fand, was ich nicht vermuthete , daß sich auch hier das Eis immer weiter herabziehe; die Beweise waren unlaugbar, ich mußte nicht nur viel länger auf den öden Schneefeldern herabgehen; sondern ich fand sogar, daß dieser Schnee ehedem fruchtbare Gründe bedeckte, denn ich stieß hier und dort auf einige hervorragende Steine, um die sich die traurigen Ueberreste halbverfaulter nezförmiger Weiden noch schlangen,blätterlos, und nur durch die Richtung ihrer Aeste noch kenntlich schienen sie mir zu sagen: Du hast dich geirret.

Dieser Bergrücken ist dem grössern Wazmanne viel näher als dem kleinem,daher auch das nördliche Thal enger als das südliche ist; die Sonnenstralen können also ungehindert das südliche Theile erwärmen, und die Feuchtigkeit des Bodens in nährende Säfte verdünnen; aber an der Nordseite werden sie von diesem Bergrücken aufgehalten, dessen Höhe zwar an sich nicht sehr beträchtlich, aber doch groß genug ist einen ewigen Schatten in dieses enge Thal zu werfen.

Diese Verlängerung des Eises kömmt dann im gegenwärtigen Falle von einem ganz besondern Umstande her; aber der ewige Schnee im salzburgischen Hochgebirge, von dem ich neulich schrieb, und noch viele andere Schneegefilde unserer Alpen in Europa, die ehemals vortreffliche Weydeplätze waren, sind Sachen, von denen vielleicht die Erklärung ungleich schwerer halten dürfte. Gleichwohl fürchte ich nicht mit Büffon, daß einstens die Einwohner von Burghausen gezwungen werden sollten ihre Stadt zu verlassen, um nicht unter einem ewigen Schnee erstarren zu müssen. Die Abnahme der Wärme widerspricht vielmehr der bekanntesten Erfahrung: die heutigen ltaliäner finden Deutschland bey weitem so kalt nicht, als die Römer das alte Germanien fanden.  Man könnte einwenden, das Aushauen der Wälder in Deutschland öffne der Sonne den Zutritt zur Erdfläche, und verhindere die gar zu schnelle Verflüchtlgung der Erdwärme, unterdessen das heutige Italien selbst nicht mehr so warm ist,als es inden Zeiten des Julius Cäsar war. Man behauptet aber das leztere, ohne daß man dabey im Stande wäre es zu erweisen, und die Ausreutung der Wälder in Deutschland sollte eher die Verflüchtigung der Erdwärme begünstigen als verhindern, wenigstens würde sich, alles gegeneinander abgewogen, Vermehrung und Verminderung so ziemlich gegeneinander aufheben.

Ich glaube immer, daß sich alle die neuerlich mit ewigem Schnee bedeckten Gebirggegenden wohl sicher in dem Falle des engen Thales, das in der Wazmannscharte zwischen dem erst entstandenen Bergrücken und dem grössern Wazmanne liegt,befinden dürften. Höher gewordene Eisberge können allerdings in den nahe gelegenen Gebirgthälern Gletscher erzeugen; aber man schließt, deucht mir, zu voreilig von dem, was auf Alpen vorgeht, wo die dünnere Luft der Sonnenwärme sehr wenig empfänglich ist, auf das, was in Ebenen geschehen soll; so bald in dem offt erwähnten Thale die Sonnenstralen wieder ungehindert auf die Erde  treffen  können, war alles in der schönsten Blüthe, und ich stand wirklich mit dem einen Fusse auf Schnee, und hatte mit dem andern schon eine blühende Pflanze zerknickt, ein deutlicher Beweis, daß in diesen hohen Gegenden alles auf den unmittelbaren Einfluß der Sonne ankomme, und daß an den seltsamen Erscheinungen der Kälte die eigenthümliche Erdwärme (wenn es je eine eigenthümliche Erdwärme giebt; denn an Centralfeuer glaube ich so wenig als an die Geschichten tausend und einer Nacht) keinen Antheil habe.

Nachdem ich von meinem beschwerlichen aber interessanten Spaziergange zurückgekommen war, gieng ich mit meinem Führer abermal an einer Wand, die eine Fortsetzung des grössern Wazmannes ist, hinauf, und kam auf den Falz, so heißt die Gegend über dieser Wand, die ein guter Weydeplaz ist, aber am Wasser Mangel hat. Wir hatten kaum etwas Speise und Trank genossen, als das Donnerwetter, das ich mir oben in der Wazmannscharte prophezeihet hatte, da war; dieß nöthigte uns länger Halte zu machen, als uns lieb war. Inzwischen wußte ich mich in der dunkeln Hütte mit nichts besserm, als mit Schlafen zu unterhalten. Nachdem das Ungewitter vorbey war, giengen wir die Mittercasa (abermal ein ganz hübscher, etwas tief liegender Weydeplaz) vorbey nach der Grube, ein anderer Weydeplaz, der noch tiefer, aber sehr angenehm liegt.

Hier übernachteten wir. Den folgenden Tag gieng die Reise abermal bergan, nach der Gugel, wieder eine Fortsetzung des grössern Wazmanns; von da über das Schärte! (eine sattelförmige Vertiefung dieses Bergrückens) nach den Schüttalben. Hier ruhten wir aus: denn ob es gleich Mittag war, so nahmen wir dennoch ausser etwas Suppe nichts zu uns, weil wir uns beyde nicht wohl befanden; die Nässe des gestrigen Tages hatte vermuthlich die meiste Schuld daran. Von hier gieng die Reise immer bergab, gegen den Winbach zu, der da, wo wir an ihn kamen, schon nicht mehr höher, als Berchtesgaden selbst, liegt. Ich untersuchte unterwegs einige Kreidenstücke, die man jenseits des Baches aus dem Berge gewinnt, und womit einiger Handel getrieben wird, aber mein Führer, der sich unterdessen auf einen nahen Hügel begeben hatte, um sich nach der Gegend umzusehen, erinnerte mich, wir hätten nicht Ursache uns lange aufzuhalten, weil er abermal ein Donnerwetter in der Ferne erblickt hätte. Es war dasselbe auch eher da, als wir es vermutheten, und wir mußten unter einem starken Platzregen noch einen ziemlichen Weg machen, ehe wir ein Haus erreichen konnten.

Dieß ist so ungefähr das Resultat meiner zweyten Gebirgreise, die mir eben so viel Vergnügen als Belehrung verschaffte. Die kleinen Unbequemlichkeiten, die mit dergleichen Reisen allemal mehr oder weniger verbunden sind, entfallen dem Gedächtnisse, so bald sie überstanden sind; aber die herrlichen Früchte derselben sind fortdauernd. Ich wünsche nur, daß Sie diese Nachricht mit eben so vielem Vergnü gen lesen mögen, als mir die Erinnerung an diese Reise gewährte,und verharre u. s. f.

Schrank

Christian Schöllhorn – Tod für die Ewigkeit

9 Jahre nach der Erstbesteigung der Watzmann Ostwand durch Johann Grill und Otto Schück der erste Tote in der Watzmann Ostwand. Die Wand fordert ihren tödlichen Tribut.

Christian Schöllhorn, dessen Name mit dem Schöllhornkar, Schöllhorneis und der Schöllhornplatte Eingang in die Geographie der Watzmann Ostwand gefunden hat stürzte am 26.05.1890 tödlich ab.

In den Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins wird im Jahre 1890 über jenes Ereignis berichtet.

Ludwig Purtscheller – Der Große Watzmann von St. Bartholomä aus

Ludwig Purtscheller beging gemeinsam mit Johann Punz als zweite Seilschaft die Ostwand des Watzmanns und fand dabei den heute gebräuchlichen Ausstieg zur Südspitze.

In der Zeitung des deutschen und österreichischen Alpenvereins des Jahres 1886 findet sich sein Bergfahrtbericht.

Zwei Bergfahrten in den Berchtesgadener Alpen
Von L. Purtscheller in Salzburg.
Der Grosse Watzmann von St. Bartholomä aus.

Die Erklimmung des Grossen Watzmann von St. Bartholomä gehört zu den bedeutendsten und interessantesten Besteigungen, die im Bereich der Ostalpen ausgeführt werden können. Würden die Berge Berchtesgadens dem eigentlichen Hochgebirge beizuzählen sein und der Sockel des Gebirgs um einige hundert Meter höher liegen, so könnte man diese Besteigung unzweifelhaft mit den grössten Hochtouren in der Schweiz, in den italienischen Alpen und im Dauphine vergleichen.

Die Mittelspitze des Watzmann, nach Waltenberger 2714 m (nach der Sp.-K. 2712 m) liegt 2112,5 m  über dem Spiegel des Königssees (601,5); Biermann (diese Zeitschrift 1879 S. 182) berechnet den Horizontalabstand des Gipfels vom Ostufer des Sees bei seiner Annahme von 2740 und 603 m auf  4300 m und danach den Elevationswinkel auf 26° 35′, das Verhältniss der Höhe zum Abstand auf 0,497. Man vergleiche auch die interessante Zusammenstellung verschiedener bei Besteigungen zu überwindender Höhenabstände in den Gesammtalpen von R. Seyerlen (Zeitschrift 1878 S. 348—350). Reiht man den Höhenunterschied von 2112 m in Seyerlen’s Daten ein, so übertrifft er die Differenz Sulden-Ortler um 52 m und rangirt zwischen jenen Sta. Caterina-Königsspitze (2118 m), Campitello-Marmolada (2108 m) und Chalets de Valsorey-Grand Combin (2125 m).

Der erste Tourist, der den Grossen Watzmann von der Südostseite erstieg, war Herr Otto Schück aus Wien. Er hatte in den Jahren 1873 und 1879 zwei ähnliche hervorragende Touren ausgeführt, nämlich die Ersteigung des Ortler über das Hochjoch und dann vom Ende der Welt-Ferner über die Ostwand, und war daher vollkommen berufen, auch dieses schwierige und kühne Unternehmen zu wagen. Der Führer Schück’s bei seiner Besteigung des Watzmann war der den Lesern der Zeitschrift wohlbekannte Johann Grill (Köderbacher) aus der Ramsau. Schück benöthigte am 6. Mai 1881 volle 14 Stunden, um auf die höchste (mittlere) Watzmannspitze zu gelangen.

Köderbacher, der als der Vater dieses Projects betrachtet werden kann, urtheilte unzweifelhaft richtig, wenn er diese Tour nur zu Anfang des Sommers, bei noch reichlich vorhandenem Winterschnee, für ausführbar hielt. Bei mangelndem Schnee, oder wenn das in den Rinnen und Schluchten lagernde Eis stark abgeschmolzen und unterhöhlt ist, erscheint es sehr schwierig, wenn nicht unmöglich, sich den steilen Felsmauern zu nähern und die hohen Abstürze zu überwinden.

Obschon von dieser Thatsache völlig überzeugt, beschloss ich dennoch, in Folge einer Anregung Köderbacher’s, die Ersteigung im Herbst (28. October 1883) zu versuchen.

Es war die erste Stunde nach Mitternacht, als unser Kahn, von den kräftigen Armen zweier Fährleute gelenkt, die unbewegliche, schwarze Fläche des Königssees durchfurchte. Zitternd und klar spiegelte sich in der Fluth das Licht der Gestirne, bis uns eine Nebelschichte den Anblick des Himmels und auch den Bück auf die Ufer verwehrte. In St. Bartholomä nahmen wir den Weg in das Eisthal, die bekannte in das Massiv des Watzmanns eingeschnittene Schlucht, in deren Hintergrund sich die „Eiskapelle“ befindet, eine Anhäufung von Lawinenschnee, der im Sommer allmälig in Eis verwandelt wird.

Schwarze, phantastische Felszacken, der Kamm der Hachelwand, ragen in die Lüfte und verengen mit den mächtigen Baumkronen der Buchen das Stückchen Himmel, das uns in der Wildniss den Pfad weisen sollte. Das bereifte Astwerk und das kaum wahrnehmbare Gemurmel des Eisbachs verkündete, dass die Natur bereits der winterlichen Erstarrung und Ruhe anheim gefallen war.

Nach ¾ 4 Stunden machten wir nothgedrungen eine längere Rast. Wir befanden uns in der Nähe der Eiskapelle, am Fuss der hohen Steilwände, zu deren Erkletterung wir des vollen Tageslichts bedurften. Die Kälte drängte bald zum Handeln. Meine Befürchtungen fand ich, wie ich gleich bemerken will, in vollem Maass bestätigt.

Die Eismasse, welche im Frühjahr bis zur Höhe der Felsstufen hinanreicht, hatte im Laufe des Sommers mehr als die Hälfte ihrer Mächtigkeit eingebüsst. Die Ränder des Eises waren ganz unter unterhöhlt und 2 bis 4 m von den Wänden entfernt. Im Berchtesgadener Lande erzählt man sich noch immer die Geschichte jenes Gemsjägers, der an dieser Stelle durch die dünne Eisdecke brach und in einen tiefen Schlund stürzte, aus dem er sich erst nach zweitägiger Gefangenschaft und mit der grössten Anstrengung retten konnte. Er hatte sich, als er die Oberfläche des Eises schon beinahe erreicht hatte, durch einen zweiten Fall das Bein gebrochen, vermochte sich aber dennoch mit dem Aufwand seiner letzten Kräfte aus der Spalte zu befreien. Unfähig weiter zu gehen, wäre er ohne Zweifel dem Hungertod verfallen, wenn nicht ein Knabe in St. Bartholomä das Fernrohr zufällig auf die Stelle gerichtet hätte, wo der Unglückliche lag. Aus seinen Bewegungen, die anfänglich wegen der Entfernung nicht recht gedeutet werden konnten, vermuthete man, dass es der vermisste Gemsjäger sei, der dann auch aus seiner misslichen Lage befreit wurde.

Köderbacher näherte sich vorsichtig dem Rand, um einen Uebergang ausfindig zu machen. Seine Bemühungen waren erfolglos. Wenn es auch gelungen wäre, den Raum zwischen Eis und Fels zu überspringen, die jenseitige nahezu senkrechte Wand hätte weder den Händen noch den Füssen irgend einen Halt geboten.

Die Route, die man beim Aufstieg zu verfolgen hat, ist ungeachtet des complicirten Terrains und vieler Einzelheiten unschwer festzusetzen. Man hält sich, soweit es durchführbar, in der rechts (nördlich) hinaufziehenden grossen Rinne, und nimmt im letzten Drittel der Wand, wo die Schwierigkeiten erheblich abnehmen, nach Belieben eine links- oder rechtsseitige Richtung. Wer direct auf die Mittlere Spitze gelangen will, der hat sich etwas rechts zu halten, indem er eine breite Mulde überquert und dann einer diagonal eingeschnittenen Plattenrinne folgt, die bis an die Höhe des Grats hinanreicht. Die grosse Rinne – anfänglich der einzig mögliche Weg – wird von einer Reihe senkrechter Abstürze und hoher Felsstufen unterbrochen, deren Ueberwindung eine sehr bedeutende Mühe und einen ebenso grossen Zeitaufwand erfordert.

Die Wand, welche uns den Einstieg in die Hauptrinne versperrte, musste durch eine schwierige Kletterei nach rechts um umgangen werden. Leider erforderte dieses Manöver die Zeit von 2 Stunden, wobei wir kaum mehr als eine Höhe von 50 m gewannen. In der Rinne fortsteigend, trafen wir dann ein kleines Schuttlager und hierauf wieder eine Schichte compacten Lawinenschnees, dessen Ränder ebenfalls durch eine breite unpassirbare Randkluft von der Wand getrennt waren. Die Seitenwände der Rinne erwiesen sich als ganz unersteiglich, nur rechts über uns schien eine sehr glatte, steile, überhängende Platte einen Ausweg zu eröffnen. Dort lag, es war uns dies sofort klar, die Entscheidung, der Schlüssel zu dem vor uns aufgerichteten Bollwerk. Wir mussten die Platte erklettern, oder aber die Partie als verloren aufgeben. Köderbacher versuchte, obwohl wir Beide an den Erfolg nicht glaubten, von einer kleinen Vertiefung aus auf die Platte zu gelangen, aber es war vergeblich. Ein vorspringender Fels drängte ihn immer wieder über den Abgrund hinaus. Die vergebliche, grosse Anstrengung und die Gefahr bemerkend, welcher Köderbacher sich aussetzte, bat ich ihn, von weiteren Versuchen abzustehen. Wir beriethen, ob keine Möglichkeit vorliege, den klaffenden Schlund zu übersetzen; aber der Umstand, dass noch mehrere solche Stellen zu passiren waren, wobei durch den Abgang von Schnee sich ähnliche Verhältnisse ergehen hätten, wie die eben geschilderten, dann die vorgeschrittene Stunde – es war bereits 9 ½ U. – bestimmten uns, den Rückzug anzutreten.

Wir hatten eine Höhe von ca. 2000 m erreicht. In der Tiefe zeigte sich das Eisthal und der blinkende Spiegel des Königssees; von den Randgipfeln des Hagengebirges nahmen sich besonders statt stattlich der Schneibstein und der Kahlersberg aus; rechts thürmte sich das hohe, senkrecht abstürzende Felsmassiv der Hachelwand auf, zur Linken ragten der Kleine Watzmann und der Zackengrat der Watzmann-Kinder in den Aether.

Köderbacher äusserte später, dass wir zu dreien, d. h. mit Hilfe eines zweiten Führers, die schwierige Stelle überwunden haben würden. Ich glaube jedoch, dass ein Angriff nur dann von Erfolg gewesen wäre, wenn wir eine Leiter oder eine lange Stange bei uns gehabt hätten.

Die Rückfahrt über den See und die milde Herbstsonne, die alle Dinge in vergeistigenden Glanz einhüllte und die Wände des Felsenthals mit goldenen Flecken zierte, liessen mich meinen damaligen Misserfolg leichter verschmerzen.

Am 12. Juni 1885 fand ich mich wieder mit derselben Absicht in Berchtesgaden ein. Dieses Mal lag in den Schluchten des Watzmanns noch ziemlich viel Winterschnee und ich durfte daher eher hoffen meinen Zweck zu erreichen. Je früher im Jahr die Ersteigung versucht wird, mit um so mehr Wahrscheinlichkeit kann auf Erfolg gerechnet werden. Doch hat man zu warten, bis ein Theil der Schneemassen abgeschmolzen ist, da im Frühjahr in den Schluchten des Watzmanns Lawinenstürze und Steinschläge zu den täglichen Erscheinungen gehören.

Auf dieser Fahrt war mein Begleiter Preiss (Johann Punz) von Ramsau, der mit Köderbacher zu den tüchtigsten und empfehlenswerthesten Führern der Deutschen und Oesterreichischen Alpen gehört.

Wir verliessen 11 U. 30 Nachts Berchtesgaden und langten dann nach einstündiger Fahrt über den See bei Anbruch des Tages (3 U. 15) bei der Eiskapelle an. Der Felsabsturz, der das erste Mal wegen der Randkluft mühsam umgangen werden musste, lag jetzt bis zur Hälfte im Schnee vergraben. Er wurde ohne Zeitverlust und ohne besondere Anstrengung erklettert. Eine rechts hinanziehende mit einigen Grasbüscheln bewachsene Rinne vermittelte, wenn auch sehr schwierig, die Gewinnung des nächsten Absatzes. Auf einem Schneefeld, dem ersten in der grossen Rinne, hielten wir eine kurze Rast (4 U. 55 bis 5 U. 10), um dann die hohe Wandstufe anzugehen, wo ich und Köderbacher bei unserem ersten Versuch zurückgeschlagen worden waren. Der Schnee reichte bis ¾ m an die Wand heran, aber der richtige Ausweg war nicht so bald zu entdecken. Während Preiss die Stelle noch einmal „ausprobiren“ wollte, an welcher Köderbacher seine Kraft eingesetzt hatte, stieg ich etwas zurück, um einen kleinen Einriss zu untersuchen, der sich direct an der Felswölbung hinaufzog. Auch Preiss, der unverrichteter Dinge zurückkam, meinte, dass hier die einzige Möglichkeit vorliege, emporzudringen. Die zwischen dem Schnee und der Felswand gähnende tiefe Spalte machte die Lage des Kletterers, der sich fast nur auf die Fingerspitzen verlassen konnte, zu einer gefährlichen. Der Dachsteinkalk, aus dem das Gebirge seiner Hauptmasse nach besteht, zeigt hier seine schlimmsten, abgeschliffenen Plattentafeln, und bietet ungeachtet seiner Festigkeit der Ersteigung viel grössere Schwierigkeiten dar, als der leichter verwitternde Wettersteinkalk, wie er in den westlichen Kalkketten, z. B. im Karwendel- und Wetterstein-Gebirge, auftritt.

Preiss stieg voran, aber schon nach wenigen Schritten traf er auf sehr glatte, jedes Vorsprungs bare Platten. Er erklärte, dass es ihm unmöglich sei mit den Schuhen weiterzuklettern. Da er die Hände nicht frei hatte, so entledigte ich ihn seiner Schuhbekleidung, die indessen in meinem Rucksack verwahrt wurde. Mit dem Bergstock konnte ich Preiss ein wenig unterstützen. Langsam, mit grosser Anstrengung und oft lange vergeblich nach Griffen tastend, schob er sich empor. Es waren aufregende Augenblicke, wie ich dergleichen im Gebirge selten erlebt habe. Als es ihm endlich geglückt war, einen sicheren Stand zu erreichen und Sack, Stock und Pickel aufgeseilt worden waren, folgte ich an einem Strick gehalten nach. Die Gesammthöhe der Wand dürfte ca. 15 m betragen. Es folgte nun eine Partie steiler, doch nicht schwieriger Platten und hierauf ein Felsband, welches zu einem kleinen Schneefeld führte. Hier hielten wir eine kurze Rast (6 U. 40 bis 6 U. 55).

Die gerade über uns aufragende Wand zeigte sich zwar, als wir sie in Angriff nahmen, sehr ausgewaschen und glatt, jedoch nicht sehr steil. Ein schmales Felsband, das uns aus dem Couloir lockte, endete an einem thurmhohen Absturz. Wir mussten, nachdem wir 20 Minuten auf vergebliches Recognosciren verwendet hatten, wieder auf die alte Stelle zurück und unser Heil neuerdings in der Rinne versuchen. Ein dritter sehr steiler Absatz konnte Dank der hoch anliegenden Schneemasse ziemlich leicht erklettert werden; in späterer Jahreszeit dürfte dies, wenn überhaupt, nur unter grossen Schwierigkeiten gelingen. Einem Schichtenhand zur Rechten vertrauend, liessen wir uns über eine durchnässte Platte hinab und querten (8 U. 8) ohne besondere Schwierigkeit die Hauptrinne.

Nach einem erfolglosen Angriff in linksseitiger Richtung das anfänglich breite Band endigte an einer tief eingerissenen Schlucht — nahmen wir den Weg gerade aufwärts, indem wir einen Felssporn ins Auge fassten, der wenn einmal erreicht, einen besseren Ausweg versprach. Zunächst war es aber nöthig, wieder in die grosse Rinne zurückzusteigen. Eine Wandstufe in derselben erwies sich so steil und glatt, dass wir uns zum zweiten Mal der Schuhe entledigen mussten. Ich hätte an dieser Stelle, die eine Höhe von ca. 10 m haben dürfte, beinahe einen schlimmen Fall gethan. Während ich, an einen Vorsprung gelehnt, die Bewegungen des über mir kletternden Preiss verfolgte, gab der Fels unter meinen Füssen plötzlich nach. Ich sank einen halben Meter tief, konnte aber gleich wieder Halt gewinnen. Während des Fallens ergriff ich mit der linken Hand, mehr instinctiv als überlegt, das herabhängende Seil, das Preiss sich um den Leib gebunden hatte.

Jeder andere Führer hätte mir wegen dieser Unvorsichtigkeit – denn der Ruck traf denselben völlig unerwartet – eine Rüge ertheilt. Preiss aber lächelte nur, wie er dies häufig thut, ohne ein Wort zu sagen.

Wir hielten eine zweite Frühstückrast (9 U. 55 bis 10 U. 5) und füllten unsere Flaschen mit Wasser. Im Begriff aufzubrechen, vernahmen wir plötzlich hoch über uns das Krachen fallender Steine. In Intervallen von 6 bis 8 Secunden, aber mit furchtbarem Getös näherten sie sich uns, aber nur einzelne Trümmer gelangten in unsere Nähe und sausten unschädlich an unseren Köpfen vorüber. Gleich beim ersten Geräusch drückten wir uns an die Felswand, dennoch war unsere Lage eine sehr gefährdete. Die Steine waren unzweifelhaft von Gemsen in Bewegung gesetzt worden, die auf dem Grat ihren Morgenspaziergang ausführten.

Trotz unseres unausgesetzten Anstürmens hatten wir noch keine dominirende Höhe erreicht. Der Kleine Watzmann, die Watzmann-Kinder und die Hachelwand ragten noch hoch über uns empor. Aber die Felsklippen zeigten sich allmälig weniger steil und im selben Maass besserte sich auch ihre Gangbarkeit. Die Seitenwände der Rinne wichen zurück und verflachten sich nach oben mehr und mehr. Wir kletterten ohne besondere Hindernisse auf dem erreichten Felssporn aufwärts. Die südliche Watzmannspitze, zweifellos der schönste Bau im ganzen Massiv, enthüllte uns ihren mächtig ausgreifenden mit blinkenden Schneebändem gezierten Südostgrat; aber auch die anderen Erhebungen des Watzmanngrats, thurmförmige, ruinenhafte und schuttbedeckte Felsgestalten tauchten stolz empor in den klaren Aether. Unmittelbar vor uns breitete sich die vorher erwähnte breite Mulde aus, von welcher eine steile, schräg eingeschnittene Rinne auf die Kammhöhe  (zwischen der mittleren und südlichen Spitze) hinanzog. Ich wandte mich der südlichen Spitze (Schönfeldspitze) zu, da es meine Absicht war, heute alle drei Watzmanngipfel zu ersteigen.

Unsere Richtung war von nun an eine südwestliche. Preiss wollte eben einen steilen Felsabsatz erklettern, als ich unterhalb desselben ein Band bemerkte, dessen Verfolgung einen besseren Weg zu bieten versprach. Dasselbe endete am Rand einer tief eingerissenen, glattgescheuerten, wilden Schlucht, deren rechte (südliche) Seite vom Südostgrat der Schönfeldspitze flankirt wurde.

Der diesseitige Hang der Schlucht war jedoch ohne besondere Schwierigkeiten zu begehen. Das Klettern gestaltete sich von nun an zu einer bloss unterhaltenden, wenig anstrengenden Arbeit: rasch, in einem förmlichen Wetteifer stiegen wir vorwärts. Schon tauchten dort die starren Klippen des Steinernen Meeres auf, das blinkende Firnfeld der Uebergossenen Alpe und der Hohe Göll; es wehte die kräftige und schärfere Luft der Höhe. Die beengenden Felsmauem wichen fast plötzlich zurück und der Blick fand keine Schranke mehr. Je enger und drückender unser Gesichtskreis gewesen, desto mehr überraschte uns jetzt der weite unermessliche Raum. Gleich darauf setzten wir den Fuss auf die südliche Watzmannspitze. Die letzten 50 Schritte hatten wir auf der Südseite des Gipfels zurückgelegt. Es war 1 U. Nachmittags. Die Ersteigung beanspruchte daher von St. Bartholomä, inclusive einiger kurzen Rasten, 11 Stunden.

Das Endziel unserer Partie war jedoch die mittlere Spitze des Watzmanns. Im Vergleich mit der hinter uns hegenden Kletterei erschien uns der Weg zu derselben wie ein Spaziergang. Wir blieben so nahe als möglich auf der Höhe des Grats, anfänglich auf der Süd-, später auf dessen Nordseite. Es war 3 U. 15, als wir den culminirenden Punkt des ganzen Watzmannstocks betraten.

Unsere stark angespannten Kräfte beanspruchten eine längere Rast. Der ursprüngliche Gedanke, von der mittleren. Spitze direct in das Wimbachthal abzusteigen, musste mit Rücksicht auf die späte Stunde, und da ein Freilager in den Felsen unser Project für den nächsten Tag gestört hätte, aufgegeben werden.

Der directe Abstieg von der mittleren Watzmannspitze in das Wimbachthal wurde das erste Mal 1869 von Baron v. Jeetze, Karl Hofmann aus München und Joh. Stüdl aus Prag ausgeführt. Seitdem wurde diese Tour mehrmals und vor einigen Jahren auch in umgekehrter Richtung unternommen. Die Abstürze des Watzmanns gegen das Wimbachthal zeigen in der Nähe betrachtet nicht jene ausserordentliche Neigung, die ihnen auf den ersten Anblick von unten aus eigen zu sein scheint, und die Erkletterung derselben wird geübteren Bergsteigern keine übermässige Schwierigkeit verursachen.

Der krystallklare, glanzvolle Tag und die vorzügliche durch Nichts getrübte Rundschau liess die Zeit unseres Aufenthalts rasch verfliessen. Erst nach 5 U. machten wir uns auf den Rückweg, der über das Hocheck und die Guglalpe in die Ramsau ausgeführt wurde.

Der herannahende Abend warf bereits seine dunklen, tiefvioletten Schatten in die waldernste, maienfrische Gegend hinein und die Menschen, des Tagwerks müde, waren schon in ihre Hütten zurückgekehrt. Aber hoch oben an den altersgrauen Wänden König Watzmanns glühte und funkelte es in unbeschreiblichem, geheimnissvollem, rosafarbigem Lichtglanz. Wiederholt und noch 20 Minuten nach 9 Uhr trat ich mit meinem treuen Begleiter Preiss vor die Hausthür, um ein Schauspiel zu gemessen, welches Auge, Herz und Gemüth in gleicher Weise erfreute.

 

 

Gaumengenuß am Fusse der Ostwand

Nach dem Gipfelsieg ist vor dem Königsseesaibling.

Eine der schönsten Belohnungen nach einer erfolgreichen Bergfahrt kann man in St. Bartholomä zu Füssen der Ostwand des grossen Watzmanns direkt am Ufer der Königssees finden.

Frisch geräucherter Königssee-Saibling vom Königsseefischer mit Brot, Butter und Bier.

Frisch und Warm aus dem Rauch ein einfach unbeschreiblicher Gaumengenuss.

Gut zu erkennen, im Showaquarium, der Saibling mit seinem typischen hellorangen Bauch.

Umfeldtouren – Mooslahnerkopf

Der Mooslahnerkopf bildet eine Fortführung des Nord-Ost-Sattels, bzw. Grates des kleinen Watzmanns und ist sowohl eigenständiger Berg und Aussichtspunkt als auch Ausgangspunkt für eine Besteigung des kleinen Watzmanns.

Mooslahnerkopf – 1815 Meter
  • von Kühroint in Richtung Archekanzel
  • zu querender Forststrasse nach rechts folgen
  • nach langezogener Rechtskurve, ca. 500 Meter, Steig nach links in den Wald
  • auf erkennbarem Steig steil zum Gipfel
  • Höhenmeter ca. 500 Meter
  • Schwierigkeit : mittlere Wanderung
  • Zeitbedarf : ca. 2-2,5 Stunden

Der Blick vom Gipfel des Mooslahnerkopfs bietet eine neue Sicht auf den kleinen Watzmann. Die Struktur des Felsens zeigt sich in ihrer ganzen Schönheit. Die Führe über den Grat und der folgende Aufstieg zum Gipfel können gut verfolgt werden.

Der Abstieg vom Gipfel kann bei Nässe mit gewissen Schwierigkeiten behaftet sein.

 

Umfeldtouren – Hirschwiese

Im Umfeld von Watzmann, Watzmannfrau und Watzmannkinder finden sich eine Reihe weiterer lohnenswerter Tourmöglichkeiten welche atemberaubende Blicke und Bilder der Watzmannfamilie ermöglichen.

Allgemein gilt, dass der Blick auf die Ostwand von den Hachelköpfen am besten ist.

Hachelköpfe
Hachelköpfe

Die Hirschwiese befindet sich in westlicher Richtung im Anschluss an die Hachelköpfe. Im rechten Bildteil ist der Grat zu erkennen der zur Hirschwiese führt.

Hirschwiese – 2214 Meter

Von Ramsau
  • Über Wimbachschloss und Wimbachgrieshütte durch das Wimbachgriestal zu Trischüblalm und Trischüblpass
  • Orientierung nördlich auf Weg 411 zum Hirschwieskopf
Von St. Bartholomä
  • Weg 419 Richtung Sigeretplatte
  • Weg 419/421 bis zur Abzweigung von Weg 411 im Bereich Trischüblalm
  • ca. 1500 Höhenmeter
  • Schwierigkeit : I
  • Zeitbedarf ca. 8 Stunden